Foto. Thomas Lenz
Verse auf der Kachelwand
Die Zukunftsfrage
Wollen wir uns eigentlich entwickeln? Fühlen wir uns nicht bestens in dieser Mischung aus Urzeit und Zukunft? Mit den Füßen im Schlamm, mit dem Kopf unter Sternen, ein Kreuzung aus Raubtier und Träumer.
Am Ende geht es uns nur um den Spaß. In wenigen Sekunden können von einer Gestalt in eine andere wechseln, von einem Ort zum anderen. Und dennoch: aller Fortschritt, alle Erfindungen brachten uns nur der Trägheit, der Bequemlichkeit näher, so zu bleiben, wie wir schon vor Tausenden Jahren waren, mit einer kleinen Frage: Was wäre wenn..
Was wäre, wenn wir uns wirklich höher entwickelten?
Bitte schön, ja. Aber nur soweit, dass wir uns dabei nicht ändern müssen.
Ich bin ein Bensch.
Was ist ein Bensch?
Ich sag es Ihnen:
Es ist ein Mensch,
der hat Maschinen
statt Leber, Niere, Herz,
und das Gehirn ist anderwärts.
Ich weiß, dass ich unsterblich bin
und fliege zu den Sternen hin.
Ich such noch, was mir fehlt:
etwas, das mich beseelt.
Und zu lesen: Kurzgeschichten
Ein Abend mit ihr und Rotwein
Wir tranken Rotwein
und fanden uns nett.
Es war ein Wohlsein
mit Blick schon aufs Bett.
Ich ließ die Zukunft leben
und hob vergnügt das Glas.
Sie aber rief: „Von wegen!
Du machst, hoff ich, nur Spaß.
Ich lob vergangne Zeiten.
Wie friedlich war die Welt,
voll Glück und voller Freuden,
und nichts hat uns gefehlt.“
Nahm sie mich auf die Schippe?
Verblüfft war ich und stumm,
doch dann mit kesser Lippe:
„Pardon, das ist zu dumm!
Vielleicht noch fünfzig Jahre,
dann reist in einem Strahl
der Mensch als atomare
Gestalt durchs Weltenall.
Ein Jubel wird erschallen:
es gibt Unsterblichkeit.
Denn aus des Todes Krallen
hat sich der Mensch befreit.
Wir werden's noch erleben!
Komm, prosten wir uns zu:
Bald wird es Götter geben,
die sind wie ich und du."
Hat sie der Schlag getroffen?
Dann sagte sie: „Ich find,
es gibt nur eins zu hoffen:
du bleibst nicht immer Kind!"
Und machte mit dem Smartphone
schnell einen Post von mir
und murmelte: „Ich seh schon...
Vergangenes sitzt hier.“
Es gab noch etwas Rotwein,
es hat nichts mehr gebracht.
Sie wollte jetzt allein sein
und wünschte Gute Nacht.
Gott und die Menschen
Der Sterne Glitzern ist wie Reif,
klebt ihm am Bart wie Grütze,
und seine Hände, dürr und steif,
sind, scheint's, zu nichts mehr nütze.
Wie hatte er sich abgemüht,
uns eine Welt zu bauen.
Und merkte nicht, was da geschieht:
wir fingen an zu klauen.
Er ließ sich auf ein Bündnis ein,
wir brachen die Gesetze
und verführt wie Gott zu sein,
verschleudern wir die Schätze.
Es kommt der Tag, dann werden wir
tief in das Weltall spähen
und sehen eine offne Tür,
die führt zu goldnen Sälen..
Und drinnen ist ein Tisch gedeckt,
Gott sitzt dort mit den Tieren.
Das Paradies ist jetzt entdeckt,
uns lässt man draußen frieren.
Doch Gott ist gnädig und er spricht:
"Kommt rein, seid meine Gäste.
Und bitte sehr, geniert euch nicht,
für euch gibt es die Reste."
Gunnar und die Dänengräber
Ich machte Ferien in meiner schwedischen Hütte. Gleich am ersten Tag kam mein Freund Gunnar mit einem blank geschälten, wie eine Wünschelrute geformten Ast und sagte, damit könne ich Wasser oder Frauen suchen, aber wegen des Sees in der Nähe sei Wassersuchen wohl nicht nötig.
Nachdem er den halben Kuchen aufgegessen und drei Tassen Kaffee getrunken hatte, ging er mit dem Versprechen, mir morgen etwas Besonderes zu zeigen: die Dänengräber*) am Bolmen. Sie stammen aus der Zeit vor 300 Jahren, als die Dänen Südschweden besetzt hielten, wogegen sich die Småländer heftig wehrten, auch hier in Odensjö.
Er kam mit Axt und Säge. Eine knappe Stunde später standen wir vor etwa zehn länglichen Erdbuckeln, darauf Gestrüpp aller Art. Eichen umringten den Platz, vom nahen Bolmen kam ein leichter Wind und in den Baumkronen blinkte die Sonne.
„An die Arbeit! Wenn nichts getan wird, wächst hier alles zu. Eine Schande ist das. Also los, du gamla Indian!“
Wir begannen zu arbeiten. Plötzlich legte er sich rücklings auf ein Grab und murmelte: „Was für ein schöner Platz zum
fängt Bienenvölker ein, er veredelt Apfelbäume, zieht in einem aus Abrissfenstern errichteten Treibhaus Tomaten und Weintrauben. Nie radelt er über eine Ameisenstraße, sondern trägt das Rad hinüber und bevor er ein Küken anfasst, haucht er seine Hände an. Einmal lässt er sich vor meinen Augen von einer Bremse in den Arm stechen und sieht ihr wohlwollend zu, wie sich ihr Körper mit Blut auffüllt.
Er behauptet, einmal am Tag scheine die Sonne für jeden Menschen ganz allein, man müsse bloß aufpassen, damit man den Moment mitbekäme. Wahrscheinlich gelingt ihm das immer, zumindest im Sommer. Dann steht er abends auf der Haustreppe, das Gesicht zur Sonne gerichtet, die auf dem Berg untergeht, und mit seiner etwas krächzenden Stimme ruft er: „Livet är härligt!“ (Das Leben ist herrlich.)
Er ist schon ein paar Jahre tot, ich wohne in einem Dorf nahe Berlin. Ich habe vor meinem Fenster einen Blick auf Kiefern, ich sehe, wie die Sonne die Stämme kupfern leuchten lässt und da ertönt fern eine Stimme: „Livet är härligt!“
Und für einen Moment ist das Leben ganz nah bei mir.
*) Jahre später stellte sich heraus, dass es Wikingergräber waren.
Sonja und hr Roboter
In dieser satirischen Komödie geht es um die Liebe zwischen einem jungen Mann und der Tochter eines Professors, der ihr die Liebe zu einem Menschen verbietet. Er hat mit ihr und ihrem Roboter etwas vor, das die Menschheit zu einem Bewohner des Universums macht..
Zu lesn im Lesetheater
Roboter oder Mensch
Ich beobachtete einen Roboter, der sich über einen Hund beugte. Der Vierbeiner war eines von diesen Produkten, die auf Zuruf und Streicheln reagieren, putzige
Spielroboter, nichts weiter. Dieser Roboterhund, eine Dackelart, hatte das rechte Hinterbein verloren und statt zu laufen oder zu springen, rutschte er auf dem Hinterteil, erhob sich dann mühsam,
wackelte, schwankte ein paar Schritte, plumpste wieder auf sein Gesäß und versuchte jetzt, durch Rutschen vorwärtszukommen.
Der Roboter hatte das verlorene Bein aufgehoben, beugte sich über den Dackel, und da sah ich, eine Flüssigkeit lief über sein weißes Gesicht. Der Roboter
weinte.
Ich dachte sofort: Nun haben sie den Robotern auch schon ein Tränenprogramm installiert
Aber dann hob er sanft das Tier auf und ging davon, vermutlich in die Reparaturabteilung, wobei er den Kopf über den Hund neigte, als
hauchte er ihn mit seinem Atem an. Den er nicht hatte, versteht sich, er war ja ein Roboter.
Jedenfalls war es ein rührendes Bild wie die Madonnenbilder mit dem Knaben an der Brust aus dem 18. Jahrhundert.
Dieser Vorgang bewog mich, in vergilbten Büchern zu blättern und nach den Menschen der Vergangenheit zu suchen. Dabei geriet ich in einen sonderbaren Sog. Ich
vertiefte mich in die Geschichten von Familien, von Eltern, Kindern, Großeltern, Onkeln und Tanten.
Und mich erfasste eine große Sehnsucht.
Ich habe keine Familie. Ich bin nicht von einer Frau und einem Mann gezeugt, ich bin geschaffen aus einer Zelle mit konstruierten Genen, ein Ergebnis aus Planung
und Retorte.
Ich frage mich: Was ist eigentlich in den letzten Jahren geschehen?
Wurden aus Roboter Menschen?
Und was bin ich? Vielleicht gar kein Mensch, sondern ein Roboter?
Mehr in Nachrichten aus der Zukunft
Der Eisbär und ich
Beim Fußball im Fernsehn lässt mich alles andere kalt. Selbst wenn die Welt unterginge. Und ich will auch nicht gestört werden. Denn genau dann fällt ein Tor. Als
sich meine Freundin zum dritten Mal vor den Fernseher stellte, fragte ich sie, ob ihr Vater Glaser sei? Das kapierte sie.
Nach dem Spiel rief ich nach einem Bier. Keine Antwort. Sehr seltsam. Ich ging in die Küche und musste feststellen: Sie war weg. Einfach so. Dabei fing der Abend
doch erst an.
Und dann Türklingeln.
Sehr gut, dachte ich, hat eine Pizza geholt.
Von wegen. Da stand ein Eisbär.
„Lass mich rein!“ brummte er.
Der Bär sprach! Wieder so ein Spaß von meinen Kumpels. Der Kerl im Bärenkostüm fläzte sich aufs Sofa und sagte:
„Wann kommt das Fressen?“
„Harry, du Fresssack“, sagte ich, „ich reiß dir den Kopf ab.“
Da hob er die Tatze - und die war so was von echt. Und die Schnauze… so was von Zähnen!
„Keine Angst“, kam's brummig, „ich beiß nicht, will hier nur wohnen. Am Nordpol ist's mir zu
warm. Deine Freundin hat gesagt, bei dir würde ich mich wohl fühlen, so kalt bist du. Also, was gibt's zu fressen?“
„Nichts!“ knurrte ich.
Er tappte in der Wohnung herum, hielt den Kühlschrank wohl für eine Eisscholle. Bevor er ihn zertrümmerte, öffnete ich ihn. Danach war er leer.
Gut, dachte ich, jetzt ist Schluss mit der Gastfreundschaft. Und ich ignorierte ihn, zusätzlich gab's eine Portion eisiges Schweigen. Nach einer Weile schnurrte der Eisbär wie eine Katze: „Wie behaglich es hier ist!“
Ich rief die Polizei an, und machte sie aufmerksam auf einen Eisbären in meiner Wohnung. Man drohte mir mit einer Anzeige. So eine Polizei möchte man nicht zum
Freund und Helfer haben.
Ich dachte nach. Da fiel mir was ein. Wärme hatte den Kerl doch vertrieben.
Mir war heiß geworden, ich zog mich aus, drückte mich an den Eisbären und flüsterte: „Mein Lieber! Noch Wünsche?“
Erst rückte er etwas von mir ab, dann sah er mich traurig an. und machte sich davon..
Tags darauf, bei den Fernsehnachrichten, konnte ich es nicht glauben. Da saß der Bär neben einem Politiker, der war nichts Besonders, aber eiskalt gegen
Flüchtlinge. Er gab eine Pressekonferenz. Und da sagte er, indem er auf den Eisbären zeigte, er hätte einen Klimaexperten mitgebracht, der könne bestätigen, es gäbe gar keinen Klimawandel, nicht
mal am Nordpol.
Wie man so sagt: Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Gilt wohl auch unter Eisbären.
Und dann schickte ich eine SMS an meine Freundin:
„Bitte, Schatz, komm zurück! Ich bin jetzt wärmer als der Nordpol.“
Verse auf der Kachelwand
Als er sah, dass es aus war
Kam zu ihr und wollte schlafen,
fühlte sich vom Tag zermürbt.
Als ihn ihre Blicke trafen,
wusste er, dass etwas stirbt.
Und sie nahm ihn in die Arme,
als er in Verzweiflung fiel,
und ihm war schon, als erbarme
sich ihr löschendes Gefühl.
Wollte nicht ans Ende denken
und sich nicht um Worte mühn
wollte nur noch mal sich senke
in ihr Feuer und verglühn.
Hoffte schon, ein neues Leben
wüchs aus ihrem Schoß hervor,
doch sie konnt es ihm nicht geben,
weil sie längst bei ihm erfror.
Dein Lächeln
Wozu das Sehnen,
vom Reichtum erregt,
nach Ruhme sich dehnen,
vom Beifall bewegt?
Dein Lächeln soeben,
mein Schatz, mir genügt,
beflügelt mein Leben
und macht mich vergnügt.
Die Liebe
Die Liebe ist gebunden
an mein und dein Geschlecht.
Ein Ritt durch viele Runden
im lustvollen Gefecht.
Nicht nötig, dass ich's schreibe.
Es steht auf feinstem Vlies,
ich trag's auf meinem Leibe,
mit deinen Lippen, lies.
Im Sommergras
Nein! Weckt mich nicht! Ich träume schon.
der Wind im Haar, der zupft etwas.
und ganz leise kommt ein Ton,
als flüsterte das Sommergras.
Es war im März.
Erinner dich!
Die Bäume schwarz,
ein Kupferstich.
Aus Zweigen war
ein Herz gemacht.
Wie wunderbar!
Du hast gelacht.
Vom Lieben matt
sahn wir hinaus.
Da wuchs ein Blatt
und strich es aus.
Nein, weckt mich nicht! Ich träume schon.
An meinem Haar, da zupft etwas
und mich ergreift der süße Ton
von deinem Schritt im Sommergras.