Herbst
Im Sommer war's, ich ging vorbei,
als ich die Stimme hörte.
Mir schien das Lied fast wie ein Schrei,
was mich zutiefst verstörte.
Als riefe mir da jemand zu
und wartete auf Antwort.
Ich hatte Angst um meine Ruh
und ging mit schnellen Schritten fort.
Und geh ich heut den Weg entlang
das Laub fällt von den Zweigen,
ist es nicht mehr der Stimme Klang,
mich schmerzt das kalte Schweigen.
Leben auf neue Art
Wir leben jetzt auf neue Art.
Von allem Zwang befreit,
durchsausen wir die Gegenwart,
das Ziel: Unsterblichkeit.
Der Abend spritzt sein letztes Blut,
gewittrig kommt die Nacht.
Das Dunkel hat sich ausgeruht
und ist als Tier erwacht.
Ein Seufzer noch der Menschenhaut
nach Lust und Zärtlichkeit,
dann sind, bevor der Morgen graut,
wir schon zum Hass bereit.
Das Zwielicht macht das Grauen schön,
die Maske wird Gesicht,
und während wir vorm Spiegel stehn,
es dumpf dahinter spricht:
Ihr lebt zwar jetzt auf neue Art,
doch bleibt ihr, was ihr seid:
Getrieben von der Gegenwart,
Staub der Vergänglichkeit.
...angesichts dieser märchenhaften
Szenerie – des Meeres, der Berge, der Wolken, des weiten Himmels – dachte Gurow daran, dass im Grunde, wenn man es recht überlege, alles in dieser Welt schön sei, alles, mit Ausnahme dessen, was wir selbst denken und tun, wenn wir
die höheren Ziele des Daseins, wenn wir unsere menschliche Würde vergessen.
A.P.Tschechow in der Erzählung „Die Dame mit dem Hündchen"
Kurzgeschichte
Mein Kampf mit dem Kater
Unser Kater ist schwarz, schwarz wie der Teufel. Meine Frau sagt, er sei uns zugelaufen. Aber das stimmt nicht. Er hatte mich ausgespäht. Er war mir von Anfang an
nicht geheuer und die Geschichte sollte mir recht geben.
Gleich am ersten Tag machte er sich auf meinem Stammplatz breit. Ich sagte ihm, der Platz auf dem Sofa gehöre mir. Er gähnte. Ich schubste ihn runter, obwohl er
fauchte.
Am nächsten Tag lag er wieder dort. Also runter mit ihm. Und so ging es weiter. Er kapierte einfach nicht, dass ich der Stärkere war.
Und dann eines Abends, gerade hatte ich ihn wieder verscheucht, blickte die Frau durch die Tür: „Abendbrot ist fertig“.
„Gleich!“ sagte ich „Erst noch die Nachrichten!"
Nanu? Wer hatte da miaut? Der Kater war doch gar nicht da.
Die Frau starrte mich an. Ich wiederholte meine Bemerkung. Und wieder ein „Miau“. Es kam eindeutig aus meinem Mund. Meine Frau knallte die Tür zu.
Ich eilte ihr nach, wollte ihr erklären, dass der verfluchte Kater mich verhext haben müsse. Das war ein Fehler. Ich miaute und je mehr ich miaute, um so böser wurde sie.
Und dann miaute es hinter mir. Ich drehte mich um. Das Töchterchen! Es miaute noch mal und sah mich begeistert an. Entsetzlich.
Man denke! Zwei Jahre alt, konnte schon ein paar Sätze sagen, und jetzt das! Hatte ich es etwa angesteckt?
Meine Frau riss das Kind an sich und lief die Treppe hinauf, da hörte ich es schrein: „Will zu Papakatze!“
Gott sei Dank. Die Kleine hatte mich bloß nachgemacht.
Danach erklärte meine Frau, sie müsse über das Sorgerecht des Kindes nachdenken. Was sollte ich antworten? Auf Katzisch? Ich schwieg.
Nachts, aus dem gemeinsamen Schlafzimmer verbannt, sozusagen in Quarantäne, lag ich auf dem Sofa. Ich begann mit der Übung. Ich musste meine Sprache wieder finden.
Um halb zwölf schallte es aus dem Schlafzimmer: „Halt endlich die Klappe!"
Am nächsten Tag blieb ich zu Hause. Nicht
auszudenken, was mein Chef zu meiner Aussprache sagen würde. Meine Frau brachte die Kleine in die Kita und fuhr zur Arbeit. Ich war mit dem Kater allein und teilte ihm in seiner Sprache mit: Bekomme ich nicht sofort meine Sprache zurück, murks ich dich ab.
Der Kater zeigte mir seine feuerrote Zunge und machte sich durch die Katzenklappe davon.
Danach saß ich mit einem Küchenmesser neben der Klappe. Der Kater kehrte zurück gemeinsam mit Frau und Töchterchen.
Beim Abendbrot stand nichts für mich da, nicht mal ein leerer Teller. Da stellte mir das Töchterchen den Fressnapf des Katers hin, mit seinem Lieblingsfutter:
Pastete „Ente mit Gans“.
So was, dachte ich. Die Mutter verleitet das Kind zu einer Schandtat gegen den eigenen Vater!
Plötzlich Katzengekreisch. Nicht von mir, der Kater war's. Er sprang auf den Tisch und machte sich über das Futter her. Da platzte mir der Kragen. Ich schrie:
„Runter, du Mistkerl! Das ist mein Fressen!“
Stille, dann großes Staunen. Ja, was sagt man dazu. Ich hatte meine Sprache wieder. Und das verdankte ich meinem klugen Töchterchen. Hatte den Kater
ausgetrickst!
Danach versöhnten wir uns und – auf Bitte meiner Frau – ich auch mit dem Kater.
Am nächsten Tag kaufte ich mir ein eigenes Sofa.