Es war ein Herbstnachmittag, ich war bei Gunnar zu Besuch, meinem schwedischen Freund. Wir sprachen über den gegenwärtigen Balkankrieg. Er hatte in jungen Jahren Kroatien durchwandert und zu
jeder Stunde hörte er die neusten Nachrichten, als befände sich sein Häuschen an der Front.
Auf seinen Knien lag die Katze und seine schwere, schwielige Hand strich über ihr weißfleckiges Fell. Mit geschlossenen Augen genoss sie die Zärtlichkeit einer Engelhand.
Plötzlich erzählte er, wie er letzten Sonntag in der Kirche während der Predigt des Pastors aufstand und ihn bei einem Bibelzitat korrigierte. Wahrscheinlich erwartete er ein bewunderndes
Lob von mir. Aber es war eine bekannte Unart von ihm, mit seiner Besserwisserei ohne Rücksicht auf die Situation herauszuplatzen. Das sagte ich ihm und wie ein Kind, das eine Bestrafung
erwartete, sah er mich an.
Sein Blick traf mich. Ich wünschte, ich hätte den Mund gehalten. Denn an mir haftet ein ähnlicher Fehler, allerdings das Gegenteil von seinem: Ich schweige oft, wo ich reden sollte..
Und dann sagte er: „Weißt du, woher ich mich in der Bibel so gut auskenne?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, begann er aus der Zeit des 2. Weltkriegs zu erzählen. Zwar war Schweden neutral, hielt
aber eine starke Armee von Wehrpflichtigen und eines Tages wurde er einberufen. Er war Pazifist, weigerte sich, den Drill mitzumachen, so dass er die meiste Zeit im Arrest saß und da gab es
nichts anderes zur Unterhaltung als eine Bibel.
Er hatte aufgehört, die Katze zu streicheln, da mauzte sie, und während er sie wieder zu streicheln begann, murmelte er: „Rechts rum! Links rum! Aufstehen! Hinlegen! …So fägt Krieg
an.“
Wenig später saß ich auf meinem Fahrrad. Der Mond färbte die Sandstraße knochenweiß. In seinem Gesicht stand stummes Entsetzen. Ich radelte, so schnell ich konnte, aber ich bekam ihn nicht los
und als ich die nachtdunkle Hütte betrat, war ich bereit, für die kalte Umarmung des Winters.