Im kahlen Fliederbaum hängen drei Meisenknödel, ich stehe am Fenster und beobachte, wie große Vögel auf die Knödel einpicken. Es sind Eichelhäher, Elstern, manchmal ist ein Buntspecht dabei.
Kleinere Vögel, meist Meisen, die auch ans Futter wollen, biegen vor den Knödeln ab und machen einen Zwischenstopp auf Zweigen des nahen Busches. Mit laufenden Motoren warten sie. Ist ein
Knödel frei, steigen sie sofort auf, aber, hol's der Kuckuck, sitzt doch dort schon wieder ein dicker Vogel.
Es heißt, die Reichen werden immer reicher. Ich weiß jetzt, warum.
Ich hab eine Schwäche für die Schwachen und darum scheuche ich die großen Vögel weg. Ein Klopfzeichen von mir, schon flattern sie davon. Jetzt kommen die Meisen angeflogen. An jedem Knödel
krallen sich zwei, drei von ihnen fest und picken drauf los. Der Schatten am Fenster stört sie nicht, ich nicke ihnen aufmunternd zu.
Vermutlich sagen sie sich, hauen wir schnell rein, egal wie gefährlich die Situation ist, wir kommen ja sonst nicht dran. Oder sie haben alles genau beobachtet und denken: Hej, der Kerl da am
Fenster, nur keine Angst, der steht auf unsrer Seite.
Ich meine, so einen Kerl bräuchte auch unsere Gesellschaft,.
Aber nein, nicht doch! Um Himmels willen keinen Diktator oder Führer.
Was bleibt dann noch? Gott? Ja, gut. Aber weiß man, ob er gerade am Fenster steht und zuschaut?
Und wenn ja, vielleicht rührt er keinen Finger, denn in seiner göttlichen Weisheit denkt er: Wann endlich kapieren die Kleinen und Schwachen, dass sie in der Mehrzahl sind?
Also keine Hoffnung? Moment. Wie wär's mit einer sozialdemokratischen Partei?
Na klar! Aber... verzeihen Sie.. Gibt es noch so eine?