Passend zum Stück:
Auch hier geht es um einen Turmbau
in Berlin nach dem Mauerfall..
allerdings in einem größeren Fall:
es geht um 3 Türme.
Satirische Komödie
Schauspieler: 4 m, 2 w
Die Personen
sind
PETER Tiedge, ca. 40, Architekt und Bauunternehmer
PAUL Tiedge, ca. 30, Taxifahrer, Bruder des Architekten
SABINE, ca. 20, Ostberlinerin (Prenzlauer Berg), Arbeiterin
ZANDER, ca. 50, Investor
FRAU KRAMER, Rentnerin, Besitzerin eines Hauses in Pankow
Ein STASI-MANN
Der Ort ist
die Wohnung am Kudamm von PETER Tiedge
Die Zeit
ist vom Mauerfall bis nach der Wiedervereinigung
Das Bühnenbild
ist eine Wohnung am Kurfürstendamm in Berlin. Eine weiße Sitzlandschaft mit einem Tisch davor, rechts und links davon zwei Fenster auf den Kudamm hinaus, links ein Computertisch mit Drehstuhl –
alles ganz nach der Vorstellung des Wohnungsinhabers, eines Architekten.
An einer Stelle ist eine Spiegelwand, zumindest größere Spiegelfläche, weniger um hineinzusehen, sondern in erster Linie als optischer Reiz. Rechts ist eine Tür zur Küche, links ist eine Tür zum
Schlafraum, der Wohnungseingang ist rechts von der Küchentür zu denken.
Weitere Einrichtungen zeigen den fast futuristischen Geschmack des Wohnungsinhabers, wobei der Verdacht aufkommen könnte, manches sei aus Provokation ausgesucht worden.
1
(Durch die Fenster dringt der fröhliche Lärm der Ostberliner. PETER und PAUL)
PETER (Telefonhörer auflegend): Nicht zu fassen! Immer noch keiner da!
PAUL: Na hör mal! Revolution! Da bleibt doch kein Arsch zu Haus.
PETER: Die Mauer ist seit zwei Tagen offen und noch immer spielt alles verrückt. Und auch noch hier auf dem Kudamm! Vor meinem Haus! Solln sie doch drüben feiern!
PAUL: Es gibt kein drüben mehr! Mann, ist doch super! Karneval in Rio bei uns! Lass mal wat davon rein. (öffnet ein Fenster, Gelächter, Gejauchze, Gesang „So ein Tag, so wunderschön wie
heute...“)
PETER: Mach das Fenster zu! Wir haben November!
PAUL (hält das Fenster geöffnet): Quatsch! Wir haben Revolution!
PETER: Und wenn zehnmal Revolution ist: Bei mir nicht! (PAUL lacht) Lach nicht... Hier geht's drunter und drüber. Sogar in meinem Büro ist keiner.. (am Fenster) Und die da:
die schwänzen auch ihre Arbeit, ist das die deutsche Art, Revolution zu machen?
PAUL: Oller Miesepeter. . .
PETER: Nenn mich nicht Miesepeter! (zeigt nach draußen) Da! Laufen auf dem Kudamm rum, als gehöre er ihnen. Von Rechts wegen müssten sie von der Polizei weggeräumt oder totgefahren
werden. Ein Taxifahrer sollte das wissen.
PAUL: Mensch.. kapier doch! Die Freude! Alles freut sich! Und du nicht? Komm. Klemmen wir uns ne Sektflasche unter den Arm und gehen wir runter! Fangen wir uns ne Revolutionärin!
PETER: Lass das Revolutionsgequatsche. Fiel ein Schuss? Gab es Tote? Brannten Gebäude? Barrikaden? Kerzen! Kerzenlichter auf den Straßen! Sie feiern Weihnachten! Ein bisschen früh, denk
ich. (schließt das Fenster)
PAUL: Schade, dachte, wir begrüßen unsre Brüder und Schwestern.
PETER: Ein Bruder reicht mir.
PAUL: Dabei solltest du dich am meisten freun! Du kriegt jetzt was zu tun! Was da drüben alles gebaut werden muss! Die reinste Goldgrube für einen Architekt und Bauunternehmer!
PETER: Wie soll ich da an Aufträge kommen? Hab ich Beziehungen zu den Kommunisten?
PAUL: Ha!
PETER: Was heißt hier Ha! (tippt im nervösen Vorbeigehen auf eine Computertaste)
COMPUTERSTIMME: Guten Tag, ich bin dein Turm, bau mich.
PAUL: Sag ihm endlich, er soll die Klappe halten.
PETER: Halt du die Klappe.. Ich könnt den längst baun, hätt ich ein Grundstück!
PAUL: Ha!
PETER: Schon wieder Ha! Lass das!
PAUL: Beim dritten Mal wird’s ein Lacher. Ich hab da nämlich was, du wirst es nicht glauben.
PETER: Ein Grundstück? Du meinst einen Parkplatz.
PAUL: Schön wär's. (Telefon klingelt)
PETER (greift zum Telefon): Tiedge.. Wer bitte? Was? Wer sind Sie? Sabine?
PAUL: Ach du dicker Vater.. Gib ma her, det is für mich..(ins Telefon) Sabine! Bist du's? Na k1ar, det bin ich! Wat? Wahnsinn? Jaja.. Wahnsinn. Wo biste? Wat? Drüben.. Wie meinste..
Hüben? Also hier.. Halt, stop, wart ma.. (reicht PETER mechanisch den Hörer, der legt ihn auf) Sie sagt, die Mauer is offen.
PETER (spöttisch): Ist nicht wahr!
PAUL: Und jetzt kommt se rüber. Siehste, die Mauer ist offen und schon beginnt der Weltuntergang.
PETER: Lass deine blöden Witze.
PAUL: Ein Witz? Eine Tragödie ist das! Nie im Leben hätt ich gedacht, dass mir so wat passiern könnte!
PETER: Was geht dich die Mauer an!
PAUL: Ne janze Menge.. Bruder! Mein großer Bruder, mein lieber, mein einziger! Wir sind doch Brüder, stimmt's? Und mit dem Pee bei unserm Vornamen könnte man uns glatt verwechseln,
stimmt's? Und dann diese auffallenden Ähnlichkeiten! Wir sind männlichen Geschlechts; wir sind geborene Berliner, wir haben sogar dieselben Eltern! Und wir lieben Frauen, gutes Essen.. fahren
Auto... sprechen deutsch... und sitzen jetzt in der Patsche.
PETER: Ich mag deine Späße nicht. Nicht heute! Hör auf damit!
PAUL: Ich versuch dir was zu erklären!
PETER: Dann tu's!
PAUL: Jut. Ich hab ne Braut drüben.
PETER: Na klar, die Ostbräute. . Wär ein Wunder, wenn du keine gehabt hättest. Du bist verheiratet, du Fremdgänger!
PAUL: Der korrekte Ausdruck ist Grenzgänger. Und schrei mich nicht an!
PETER (wieder ruhig): Na schön, du bist grenzgegangen. Was soll die Aufregung.
PAUL: Es ist nämlich deine Ostbraut. Schrei nicht!
PETER: Hör auf mit dem Quatsch!
PAUL: Jut, zum Mitschreiben. (langsam sprechend) Du kriegst Besuch. Von deiner Geliebten. Kapiert? Ge-lieb-te. So nennst du doch so was. Und sie heißt Sabine. Und ich heiße Peter,
Peter Tiedge.
PETER: Was?
PAUL: Bin ich schuld, dass du so berühmt bist? Sogar drüben! (PETER zuckt zusammen) Lass das! Mich hat der Schlag jetroffen! Und jetzt... Warte, zähl bis tausend, bevor du was
sagst.
PETER: Du verdammter Hochstapler!
PAUL: Ehrlich, ich wollte das nicht. Tiedge, sagte ich, dann Vorname ... Über das Pee kam ich nicht hinaus, da hieß es schon: Ahh! Der Westberliner Architekt Peter Tiedge. Und
dann... Sie waren so glücklich, dich zu sehn!
PETER: Seit wann?
PAUL: Was seit wann?
PETER: Wie lang geht das schon?
PAUL: Seit.. Ach hol's der Teufel! Es war die beste aller Welten! Alle waren glücklich.
PETER: Du spinnst wohl! Du sagst deinem Flittchen
die Wahrheit. Sofort!
PAUL: Moment! (holt eine Leporello-Mappe aus der Jacke, lässt sie aufgehen, das Leporello rollt herunter) Wat sagste dazu? Visitenkarten aus dem Osten! Haben die jetzt
Sammlerwert?
PETER (greift sich die Karten): Gib mal her! (1iest)
PAUL: Also nee.. Da fährt man janz jemütlich Autobahn und denn kommt dir'n Geisterfahrer entgegen.. Es wär alles gut gegangen. Aber dieser Gorbatschow! Weil er zu früh kommt, bestraft uns
jetzt das Leben! Mistkerl!..
PETER (liest laut): Wohnungsbaukombinat
Berlin, Baukombinat Ingenieurhochbau Berlin (liest immer lauter) Projektierungsbüro.. Projektierungsbüro..Ministerium für Bauwesen.. Alles von meinem Fach!
PAUL: Ha!.. Und das war das dritte. Komisch, ich lach ja gar nicht..
PETER (liest weiter): Baudirektion... Berliner Stadtarchitekt.. Was, den kennst du auch?
PAUL: Mit dem hab ich ne Flasche Wodka...
PETER: Großer Gott!
PAUL: Isset so schlimm?
PETER: Ruhe! Lass mich nachdenken! (entschlossen) Jetzt hör mal gut zu, du Halunke!
PAUL: Ich tu's nicht mehr. Ehrlich! Nie wieder!
PETER: Im Gegenteil.. Du machst weiter... Jedenfalls so lange, wie ich es bestimme. Ist das klar?
PAUL: Nee! Niemals! Ich bin doch kein Hochstapler!
PETER: Menschenskind.. Ich gratuliere dir! Deine Hochstapelei ist nämlich ein Glücksfall.
PAUL: Echt? Für wen?
PETER: Das ist der Schlüssel zum Ostberliner Grundstücksmarkt!
PAUL: Ein Hochstapler und ein Einbrecher.. Schöne Brüder sind wir!
PETER: Groß denken, Paule, groß denken! Du hast ja keine Ahnung, was jetzt hier losgeht. Du machst weiter. Du bleibst Peter Tiedge. Und wir arbeiten zusammen, wir besorgen uns ein
Grundstück und ich bau den Turm. Hier, ruf mal gleich einen nach dem andern an! (gibt ihm die Visitenkarten zurück) Vereinbare ein Treffen,
möglichst schnell. Und sag, du bringst deinen Partner mit, deinen Bruder! (Es klingelt stürmisch)
PAUL: Det isse!
PETER: Wer?
PAUL: Na, die Sabine..
PETER: Lass sie rein, lass sie rein... und denk daran! Du bist der Architekt! Ich bin dein Mitarbeiter. (Es klingelt) Na los doch! (Er setzt sich an den Computer, als würde er
arbeiten)
PAUL (geht an die Türsprechanlage): Ja, hallo..
SABINEs Stimme (vergnügt): Mach uff, du Knackarsch!
PAUL (zu PETER): Entschuldige... Prenzlauer Berg... (Es klingelt)
PETER: Mach auf!
Blackout
2
(SABINE kommt, mit zwei vollen Plastiktragetaschen, legt sie auf einen Sitz, es klirrt)
SABINE: Pauleken!
PAUL: Bienchen!
SABINE (fliegt in seine Arme): Paule! Ick bin da!
PAUL: Nee, du bist hier!
SABINE: Vereint! Für immer vereint!
PAUL: Ich begrüße das neue Vereinsmitglied.
SABINE: Lass dir ankieken... Nee! Du siehst ja jenauso aus wie bei uns! Keen bissken anders.
PAULE: Aber du! Du siehst anders aus! Du hast so‘n Funkeln in den Augen!
SABINE (aufjauchzend): Ja.. (zeigt auf die Taschen) Waschpulver und fuffzehn Glas Marmelade..
PAUL: So viele?
SABINE: Mann! Habt ihr Sorten. Pfirsich, Rhabarber,
Mango, Ananas.. Und wat janz Irret: Englische Marmelade! Orange! Weeste, wann die wieder reinkommen? Allet vom Begrüßungsgeld.. Ick hab noch wat, kannst mir aber wat nachreichen, Herr Architekt.
(sieht PETER) Hoppla, Besuch?
PETER (erhebt sich, förmlich): Gestatten...
PAUL: Mein Bruder... und Mitarbeiter.. Ich beschäftige ihn bei mir.
SABINE: Haste nich jesacht, er is Taxifahrer?
PAUL: Er will nicht mehr aufm Bock, er lässt sich umschuln.
SABINE (zu PETER): Ick bin die Sabine und Sie sind der Peter, nich?
PETER (überrascht): Sie kennen mich?
SABINE: Klar doch. Hat er mir jenau erzählt. Aber wat siezen wir uns. Wir sagn gleich du zueinander, ja? Jut. (schaut sich um) Nee, is dit Klasse! Dit is nich Plaste und Elaste aus
Schkopau! Dit is Fakt! Und wat für'n Spiegel! Da kann sich der janze Kudamm drin spiegeln, wa? Und wo jehn die Türn hin? (lauft zu den Türen, schaut dahinter, verschwindet hinter
einer)
PAUL (laut): Nu mach ma Feierabend, Bruderherz.
PETER: Feierabend?
PAUL: Du kannst doch nicht dauernd Überstunden machen! Was soll denn deine Frau von mir denken?
SABINE (kommt wieder): Dit Bett hat die richtije Größe. Wohnt Peter auch hier?
PAUL: Nee, der hat doch Frau und drei Kinder. Die warten schon auf ihn.
PETER: 3 Kinder?
PAUL: Oder sind es schon viere?
PETER: Es sind nur zwei. Wenn überhaupt. Darf ich vielleicht noch fragen, wann ich wiederkommen soll?
PAUL: Na, morgn natürlich... aber nicht zu früh!
PETER: Ist zehn spät genug?
PAUL: Ja, ich denke schon. Schließlich wollen wir noch ein bisschen feiern, du verstehst... Wiedervereinigung und so.
PETER: Um ehrlich zu sein. .
PAUL: Untersteh dich!
PETER: . . ich bleib auch gern hier.
PAUL: Nee, geh mal lieber zu deiner Familie. Aber du kannst natürlich draußen weiterfeiern.. Janz Berlin ist ja nu ne Party.. Und denn kannste dir den Rausch in einem schönen Hotel
ausschlafen, bevor du zu Muttern heimkommst. Keine Sorge, ich zahl dir die Übernachtung. Na, zieh dir den Mantel an und geh! Der hängt an der Garderobe! (PETER ab)
SABINE: Paule! Wat bin ick glücklich!
PAUL: Na, und ich erst ma. Plötzlich bin ich'n janz andrer Mensch.
SABINE: Paule! Nu könn wa heiraten!
PAUL: Wat? Ich geb dir' n guten Rat. Zähl bis tausend.. Aber schon nach hundert.. Es kann doch nicht dein Ernst sein, dich schon wieder in Fesseln legen zu lassen, jetzt, woste grad
in Freiheit bist!
SABINE: Jut, nich sofort. Aber gleich!
PAUL: Und wenn ich schon verheiratet wär?
SABINE: Hättste mir jesacht. Nu sei nich so steif! Dit is doch die Wiedervereinigung! Nu sind wir endlich zusammen, jetzt fängt ne janz neue Zeit an! Ja, nu fängt det Lebn erst richtig an,
bis vorjestern habn wir bloß die Zeit totjeschlagn.. Jetzt könn wir allet sehn, allet tun, wat wir wolln, einkoofn, wat wir wolln, verreisen, wohin wir wolln.. Kalifornien! Ick will sofort nach
Kalifornien! San Francisco! Paule! Wann fliejen wir? (Lauter Gesang von draußen, hauptsächlich Frauenstimmen: So ein Tag, so wunderschön wie heute..) Hörma! Sie singen! (reißt ein
Fenster auf) Wat der Momper kann, kann ick ooch.(klettert aufs Fensterbrett, schreit) Berlin, nu freue dir! (schaut runter) Der Kudamm liegt mir zu Füßen. Wenn ick jetzt
runterfall, fall ick weich. Vor lauter Menschen seh ick't Pflaster nich. (zu PAUL) Hör doch! Sie singen! Sing mit! (singt) So ein Tag, so wunderschön wie heute, so ein Tag..
(bricht plötzlich in Tränen aus) Paule, dass ick dit noch erleben darf!
PAUL: Ach du liebes Mütterchen.. komm lieber da runter. (hilft ihr runter. SABINE trocknet sich die Augen. )
SABINE: Sach ma, Paule.. liebste mir? Und denn: wie stark?
PAUL: Fängste schon wieder an.
SABINE: Dit is doch unsre Zukunft.
PAUL: Nu hör ma zu. In solch einem historischen Moment: die Mauer zerbrochen, der Ostblock bröselt, da sind menschliche Jefühle... (denkt nach) Ja, da sind menschliche Jefühle wie
Sand im Jetriebe. Wir müssen die Nerven behalten, jetzt jeht's nämlich ums Ganze. Um Ganzberlin, um Ganzdeutschland, um Ganzeuropa! Diese Zukunft, die meine übrigens auch, wirft große Schatten
voraus! Da heißt es Ruhe bewahren.
SABINE: Nu red keenen Stuss. Fakt is, ick bin bei dir! Dit is für mich historisch, dit krempelt dit janze Leben um. Du, hier bin ick! Kannste dir dit vorstelln! Dit is doch ne janz andre
Luft hier! Jetzt werd ick ma kräftig durchatmen... und denn jehn wir ran.
PAUL: An wat?
SABINE: Na, an unser neues Leben!
PAUL: Nicht so hastig.. Ruhe bewahren, sag ich! Wie beim Verkehrsunfall. Wer jetzt nen Fehler macht, muss nachher dafür blechen. Ich werd uns ma wat zur Beruhigung holn. (ab in ein
Zimmer)
(SABINE schaut sich um, geht an den Computer. PAUL kommt mit Sekt und G1äsern)
SABINE: Kiekste damit Video?
PAUL: Quatsch. Mein PC. Persönlicher Computer.
SABINE: Muss ick da eifersüchtich werdn?
PAUL: Nicht in der Nacht. (Sie spielt an der Tastatur, PAUL erschrocken) Nich!
C0MPUTERSTIMIME: Guten Tag. Ich bin dein Turm. Bau mich.
SABINE: Meint der mir?
PAUL: Achwat. Mich.
SABINE: Und wat sollste tun?
PAUL (schaltet den Computer ab): Haste doch gehört. Ich soll den Turm baun. Hab heut aber keine Lust.
SABINE: Und dit sacht der jedsma, wennste ihn drückst?
PAUL: Ja.
SABINE: Komm ma her, du!
PAUL: Sehr wohl, die Dame.. (kommt, in jeder Hand ein gefülltes Sektglas)
SANINE: Noch näher! (PAUL geht näher) Und nu drück mir.
PAUL: Wie denn? (Sie nimmt ihm die G1äser ab, PAUL drückt sie)
SABINE: Juten Tach. Ick bin deine Frau. Nimm mich.
PAUL: Ach du dickes Ei! (Pause) Im Film kämen jetzt die Geigen.
Blackout
3
(An ein paar zusätzlichen oder ausgetauschten und teureren Gegenständen sieht man, dass es mit PETER Tiedge, dem Architekten und Bauunternehmer, aufwärts gegangen ist. PAUL steht vor der
Spiegelwand und kämmt sich, prüft dann und wann seinen Kamm.)
PAUL: Jeden Morgen zählt der Herr die seinen. Und siehe! Wieder ist der böse Wolf gekommen, hat ein paar von ihnen mitgenommen. (seufzt) Spüren die denn nicht, wie ich an ihnen
hänge?
PETER (kommt aus Richtung Eingangstür): Mit wem sprichst du?
PAUL: Mit meinen Kinderchen.. Sind wohl flügge geworden, sie verlassen mich.
PETER. Du hast Sorgen. Diese gottverdammten Handwerker! Denken wohl, die Baustelle ist ein Verschiebebahnhof. Von Terminen halten sie nichts. (zieht sich die Jacke aus, sieht, wie Paul
aus dem Kamm Haare zupft und sie fallen lässt) Ferkel!
PAUL: Wo soll ich denn hin damit?
PETER: In den Müll!
PAUL: Mein eigen Fleisch und Blut? Na, jetzt weiß ich wenigstens, wo du mich gerne hättest.
PETER: Hast du keine andere Sorgen als deine Haare?
PAUL (sich vom Spiegel abwendend): Der politisch intressierte Mensch muss auf seinen Kopfputz achten! Mit graumeliertem Haar wirste Minister, mit grauem Bundeskanzler, mit weißem
Bundespräsident und mit blankem Schädel, was Gott bei mir verhüte, biste 'n Neonazi. Ich möcht's gern bis zum Bundeskanzler schaffen.
PETER: Dann sorg dafür, dass mehr darunter ist.
PAUL: Danke.
PETER: Ich dusch mich und zieh mich um. Pass auf, gleich kommt ein wichtiger Besuch. Und danach muss ich mit dir reden. (ab ins Zimmer. Es k1ingelt.)
PAUL (an der Sprechanlage): Ja?
STASI-MANNs Stimme: Paket für Herrn Tiedge..
(PAUL drückt den Öffner)
STASI-MANN (kommt, trägt eine abgenutzte Aktentasche): Guten Tag, Herr Tiedge.
PAUL: Wo ist das Paket?
STASI-MANN: Verzeihung. Ich hab mich versprochen. Ich meinte „Geschäft“.
PAUL: Haben Sie einen Termin mit meinem Bruder?
STASI-MANN: Dem Taxifahrer? Aber nicht doch!
PAUL: Moment mal.. Sie wollen zu Peter Tiedge, dem Architekten?
STASI-MANN: Richtig. Und das sind Sie! Ist doch so?
PAUL: Nein. Doch.. Woher kommen Sie?
STASI-MANN: Sehen Sie denn nicht, dass ich wie ein Ostler aussehe? Das bleiche Gesicht, die gutgläubig staunenden Augen.. Das kindliche Gemüt! (verschluckt sich an einem
Lachanfall). Entschuldigen Sie... Und dem wollen Sie den Kapitalismus beibringen?
PAUL: Verdammt... Wer sind Sie?
STASI-MANN: Spaß beiseite. Sie sind Paul Tiedge, nicht wahr? Der Taxifahrer. Doch, immerhin, der Bruder von Peter Tiedge.
PAUL: Und sein Partner...
STASI-MANN (zeigt auf die Sitzgruppe): Teuer?
PAUL: Sieht so aus oder?
STASI-MANN (auf Spiegelwand zeigend): Teuer?
PAUL: Bloß Glas.
STASI-MANN: Glück und Glas, wie leicht bricht das... Und die Wohnung? Teuer? Nein? Achja, dem Herrn Architekten gehört das ganze Haus... Teuer? Sehr teuer natürlich bei der Lage..
(seufzt) Wenn ich das aI1es so sehe... Wissen Sie, nur ein bisschen von dem bei uns, und schon wären wir Klassensieger geworden.. Warum musste Genosse Honecker das ganze Geld in die
Schrippen stecken? Und in die Mieten? Waren fast noch billiger als die Schrippen. Was für eine Dummheit.. Konnte nicht rechnen, der Mann.
PAUL: Sagen Sie mal, wer sind Sie?
STASI-MANN: Ihr ständiger Begleiter. Drüben. Sie haben mich nicht bemerkt. Immer, wenn Sie Gast waren in der gewesenen DDR, durfte ich Sie diskret begleiten und Ihre Akte führen... Lieber
Genosse Paul Tiedge... Jetzt habe ich Sie beleidigt, entschuldigen Sie, aber Sie sind mir im Laufe der Zeit ans Herz gewachsen. Sie waren so freundlich, bei Ihren Gesprächen sich als Peter Tiedge
auszugeben.. Der bekannte Architekt von drüben... Ja, so was zieht bei den Frauen, bei einer besonders. Und dann natürlich bei unseren Genossen der Bau- und den
Projektierungsbranche.
PAUL: Stasi, ich hab's kapiert.
STASI-MANN: Ja, meine Firma. Bei euch heißt so was Wach- und Schließgesellschaft. Nur warn wir etwas besser informiert.
PAUL: Das ist vorbei, kapiert? Und Sie sind bloß ein Gespenst. Also verschwinden Sie!
STASI-MANN: Ja.. Alles futsch... bloß die Papiere nicht.
PAUL: Papiere?
STASI-MANN: Sehn Sie, Sie haben ja Recht, meine Firma ist pleite, ich bin arbeitslos und so ist es ein Glücksfall, dass ich in dem ganzen Durcheinander nicht unwichtige Papiere retten
konnte.. Zum Beispiele auch einige, die Sie interessieren werden.. Und in meiner Einfalt denke ich...
PAUL (ihn unterbrechend): Kann mir schon denken, was du denkst, du Lump!
STASI-MANN: Sehen Sie, das hier ist alles sehr teuer. Und doch träumt jeder davon.
PAUL: Dreckskerl!
STASI-MANN: Nunja. (PETER kommt) Ach, da sind Sie ja, Herr Tiedge.
PAUL: Er wollte grade gehen..
STASI-MANN: Aber nein.. Ich bin doch Ihretwegen hier, Herr Tiedge. Es handelt sich um Ihren Turm. Ich möchte Ihnen ein Angebot machen.
PETER: Achja?
STASI-MANN: Ja. Sie haben doch Teile des Wohnungsbaukombinats nur wegen des Grundstücks in Pankow gekauft, für Ihren Turm, nicht wahr? Aber da ist ein Hindernis. Ein Haus, nicht wahr? Und
die Leute wollen es Ihnen nicht verkaufen.
PAUL: Schau dir dir Aktentasche an! Ein Klinkenputzer.
STASI-MANN: Es kommt auf den Inhalt an.
PETER: Woher wissen Sie das alles?
STASI-MANN: Man hat so seine Informationen.. Nun, ich sag Ihnen was. Die Immobilie steht zum Verkauf. Ich bin der Eigentümer. Seit Kurzem. Wollen Sie sehen? Ich habe die Papiere bei
mir.
PETER: Sie bluffen. Es gibt Altbesitzer, nach denen wir noch gesucht.
STASI-MANN: Richtig. Die ehemaligen Besitzer wurden seinerzeit enteignet. Ja, ich habe sie gefunden. Ihre Erben natürlich. Sie leben in den USA. Ich habe sie aufgesucht.
PETER: Sie haben die Eigentumsrechte bekommen?
STASI-MANN: Schnelligkeit ist alles. Jetzt gehört das Grundstück mir. Sie können es haben..
PETER: Kommen Sie, kommen Sie. Darüber müssen wir ausführlich reden. Gehen wir nach oben in mein Atelier. (wendet sich zur Zimmertür)
STASI-MANN: Müssen wir da nicht durchs Treppenhaus?
PETER: Ich habe eine Zimmertreppe nach oben. Sozusagen meine Geheimtreppe.
STASI-MANN: Geheim gefällt mir.
PAUL (zu PETER): Ist das der Termin?
PETER: Nein, der kommt noch. Machst du das, ja? (zu STASI-MANN) Kommen Sie! (beide ab ins Zimmer)
Blackout
4
PAUL: Schweinehund! Überhaupt kein gewesener! Ein fortwährender Schweinehund! (Es klingelt) Ach du dickes Ei! Der nächste..(an der Sprechanlage) Ja?
ZANDERs Stimme: Zander. Ich habe einen Termin..
PAUL (drückt den Öffner): Nach dem Hai der Speisefisch...
ZANDER (kommt): Bin ich zu früh oder zu spät? Die Berliner Uhren ticken anders als meine.. (entdeckt die elektrische Uhr auf dem Tisch) Auch hier! Die Uhr geht vor! In ganz
Berlin gehen die Uhren vor! Müsst ihr denn den Russenstrom nehmen? Das ist doch Lenins Rache! Nach meiner Uhr komm ich immer zehn Minuten zu spät!
PAUL: Das ist das Berliner Tempo, mein Herr, darum gehen unsere Uhren vor.
ZANDER (lacht): Großartig! Werde das Geheimnis für mich behalten. (vertraulich) Herr Tiedge, ganz kurz, wir beide wissen, warum Sie sich vom Baukombinat ein Stück einverleibt
haben.. wegen des Grundstückes... Nun, ich bin auch auf der Suche ...
PAUL: Das Berliner Ostereierspiel.
ZANDER: Ich suche Häuser, Herr Tiedge, Mietshäuser. Sie haben da zwei in der Friedrichstraße. Ich wäre interessiert.
PAUL: Die sind doch total verfallen. Müssen saniert werden.
ZANDER: Und modernisiert. Lassen Sie mich das machen.. Ich zahle Ihnen gutes Geld dafür.
PAUL: Sie wollen die Häuser kaufen?
ZANDER: Erraten.
PAUL: Das muss ich mit meinem Bruder besprechen.
ZANDER: Tun Sie das. Hier meine Karte. (legt die Visitenkarte auf den Tisch) Rufen Sie mich an. Wie spät ist es jetzt? Was sagt Ihre Uhr in Wirklichkeit?
PAUL: Ticktack.
ZANDER: Na, glaub ich nicht, bei dem Tempo in der Stadt hat sie keine Zeit dazu. Ich muss los..
PAUL: Treibt Sie der Zeitgeist?
ZANDER: Im Gegenteil! Ich treib ihn aus! Hören Sie, ein Rätsel: Wo hat die Zeit ihre Macht verloren?
PAUL: Im Grab. Da hält sie sich raus.
ZANDER: Unsinn! Schaun Sie mal nach oben! Nachts! Die Sterne! Die Sterne pfeifen auf die Zeit! Die stehen da...So! Sehen Sie! (steht starr, bewegt kaum den Mund) Eine uralte
chinesische Entspannungsmethode. Keine Bewegung... so... und alles.. alles steht still! (steht still mit geweiteten Augen)
PAUL (tritt näher, macht eine Handbewegung vor ZANDERs Augen): Hallo!
ZANDER (aufwachend): War wieder mal total glücklich. Nur eine Sekunde und doch eine gefühlte Ewigkeit.. Wie viel Uhr sagten Sie? (schaut auf seine Armbanduhr) Was, schon so
spät? Jetzt aber los, Tempo, Tempo.. Sehn sie: hätt ich jetzt nicht neue Kräfte gesammelt, könnte ich mich nicht so beeilen! Sie melden sich, ja? (ab)
PETER (kommt mit STASI-MANN): Also dann bei meinem Notar.
STASI-MANN: Keine Sorge, ich bin da. (sieht auf dem Tisch) Ich nehm noch Ihre Visitenkarte. (will zugreifen)
PAUL: Finger weg! Das ist nicht seine!
STASI-MANN (liest): Zander.. Zander... Kommt mir bekannt vor.
PETER (nimmt ihm die Karte aus der Hand): Ist einer aus unsrer Branche..
STASI-MANN: Man läuft sich heute dauernd über den Weg.
PETER: Ich bring Sie noch zur Tür..
STASI-MANN: Sehr liebenswürdig... (beide ab. PETER kommt).
PAUL: Zander.. Du kennst ihn? Der will deine Häuser in der Friedrichstraße kaufen.
PETER: Dachte ich mir. Aber den lass ich ein wenig zappeln. Hat Geld wie Heu..
Blackout
5
PAUL (an der Sprechanlage): Ja?
FRAU KRAMERs Stimme: Hier Frau Kramer. Ich möchte zu Herrn Architekt Tiedge.
(PAUL drückt)
FRAU KRAMER (kommt): Guten Tag, Herr Tiedge. Entschuldigen Sie..
PAUL: Wofür? Worum geht’s?
FRAU KRAMER: Sie haben uns diesen Brief geschickt..
PAUL: Darf ich mal sehen.. (bekommt den Brief, liest kurz) Der ist von meinem Bruder. Sie suchen jetzt eine Wohnung?
FRAU KRAMER: Nee, warum denn.., wir haben doch ein eigenes Haus.. ein kleines mit Garten hinten.. Und jetzt schreiben Sie, es gehört uns nicht mehr und wir sollen da raus!
PAUL: Ich weiß, ich bin informiert. Aber mein Bruder zahlt Ihnen doch was dafür..
FRAU KRAMER: Was sollen wir mit dem Geld.
PAUL: 50 000 Mark. Westmark... Das ist doch was.
FRAU KRAMER: Aber unser Haus! Das kann man uns doch nicht einfach wegnehmen. Wir leben da, verstehen Sie. Wir können doch nicht weg. Wohin denn? Und neu anfangen? Wir sind Rentner.. Denken
Sie mal. Meine Eltern warn Vertriebene aus Schlesien. Und jetzt sind wir so was. Verstehen Sie das?
(PETER kommt)
FRAU KRAMER: Bitte... sind Sie der Architekt Tiedge?
PETER: Ja, und. Sie?
PAUL: Eine Haus- und Grundbesitzerin. Mit dergleichen verkehrst du doch immer. Frau Kramer aus Ostberlin.
FRAU KRAMER: Sie haben uns einen Brief geschickt..
PETER: Ach Frau Kramer, jetzt erinner ich mich. Bitte setzen Sie sich. Es tut mir leid. Aber wie ich Ihnen geschrieben habe: Die Alteigentümer haben mir das Haus verkauft.
FRAU KRAMER: Ich versteh das nicht. Es ist doch so alt, noch älter wie wir. Und doch viel zu klein für Sie... Und es steht am Stadtrand, fast schon im Grünen. Und im Garten haben wir drei
Obstbäume, einen Apfelbaum und zwei Kirschen.
PETER: Schon gut, Frau Kramer, schon gut, ich weiß es. Aber sehen Sie, ich brauche Ihr Grundstück zum Bauen! Gleich daran schließt der ehemalige Lagerplatz des Baukombinats, das Grundstück
gehört mir schon, und ich will auf dem ganzen Areal etwas Großes bauen.. Einen Turm mit Wohnungen und Büros... Sehen Sie, Berlin wird wachsen.. Alles kommt nach Berlin, will hier wohnen,
arbeiten. Und da schaffe ich mit meinem Turm Wohn- und Büroräume.
FRAU KRAMER: Na dann bauen Sie ihn doch nur auf dem Lagerplatz, der reicht doch.
PETER: Der reicht nicht ganz.
FRAU KRAMER: Dann bauen sie Ihren Turm doch kleiner.
PAUL: Das klingt vernünftig.
PETER: Ist völlig unwirtschaftlich. Das rechnet sich nicht.. Frau Kramer, ich habe einen wichtigen Termin. Mein Bruder wird Ihnen einen Kaffee geben, plaudern Sie noch mit ihm. Ich werde
sehen, dass Sie und Ihr Mann eine hübsche Wohnung im Grünen bekommen. Einverstanden? Auf Wiedersehn! (ab ins Zimmer)
PAUL: Mokka? Milchkaffee? Cappuccino?
FRAU KRAMER: Nein, bitte... danke. Eine Wohnung! Was sollen wir mit einer Wohnung! Wir haben doch ein Haus! Wir haben es vor 30 Jahren vom Staat gekauft!
PAUL: Den gibt es nicht mehr, leider.
FRAU KRAMER: Ja, leider.
PAUL: Nein, nicht leider. Es wird alles besser, Frau Kramer, Sie werden es sehen.
FRAU KRAMER: Nee, es wird alles schlechter, bei uns wird es schlechter. Ich muss jetzt gehen. Mein Mann wartet zuhause. Er ist nicht ganz gesund.
PAUL: Ich bring Sie zur Tür.
FRAU KRAMER: Vom Brief hatte er nen Herzanfall. Verstehen Sie das?
PAUL: Gewiss. Aber sagen Sie ihm.. Mein Bruder wird helfen! Er ist kein Unmensch!
FRAU KRAMER: Unmensch... das hab ich noch nie gehört. (beide ab)
(PAUL kommt zurück, PETER aus dem Zimmer)
PETER: Sie werden drüben einfach nicht fertig mit der Realität. Der ganze Staat war eine einzige Illusion und sie wollen so weiter machen. Dabei bietet man Ihnen gutes Geld an!
PAUL: Ums Geld geht es ihr nicht.
PETER: Weil sie ihre Illusionen mehr schätzen als das Geld. 50.000. Im Umland gibt’s bestimmt genauso ein Haus.
PAUL: Sie wohnen dort seit über 30 Jahren. Mensch, dann hat man Wurzeln geschlagen!
PETER: Red kein dummes Zeug. Und gewöhn dir ab, die Interessen anderer zu vertreten.
PAUL: Interessen. Interessen.. Ich dachte, es geht um Werte. Na klar, die alten sind futsch. Besonders die Werte von drüben. Jetzt zählen unsre Werte.
PETER: Zum Beispiel.
PAUL: Immobilienwerte. Klar, die sind ja auch viel nützlicher für uns. Die kann der Staat besteuern, das bringt Geld für Krankenhäuser, Schulen, Kitas. Was hat der Staat von den alten
Werten? Haste schon mal auf deine Treue Steuern zahln müssen? Oder auf deine Ehrlichkeit? Na bitte.
PETER: Du redest Unsinn.
PAUL: Intellektuell besehen, hab ich hundertprozentig recht.
PETER: Ich für mein Teil bedauere ja auch, dass die alten Werte nicht mehr gelten. Die Gesellschaft verrottet. Kein Anstand, keine Sitten, kein Respekt...
PAUL: Na, wem sagst du das. Wozu hab ich nen Mercedes? Wenn ich doch im Stau stehn muss wie alle andern.
6
(PETER, PAUL und SABINE. Auf dem Tisch liegt ein ausgebreitete Plan, PETER beugt sich darüber)
SABINE: Heute keene Lust zum Bummeln? Wat iss los? Schlechte Stimmung?
PAUL: Siehst doch. Wir arbeiten. Außerdem kriegen wir heut noch einen wichtigen Besuch..
SABINE: Verdamm fleißig, dein Bruder. Bezahlste ihn wenigstens gut.. Peter! Wat kriegste im Monat?
PAUL: Haue, wenn er nicht spurt.
SABINE: Warst schon mal witziger.
PAUL: Ist ja noch nicht Abend.
SABINE: Tja.. was mach ich jetzt? Ich will raus.
PETER: Wir haben nichts dagegen.
SABINE: Mensch, seid ihr heute gut drauf. OK. Geh ich eben. Paule, wo treffen wir uns? (Telefon klingelt)
PAUL: Heut nicht, wir haben noch einen Termin. (PETER arbeitet) Miesepeter! (PETER reagiert nicht, PAUL nimmt den Telefonhörer) Telefon! Der Bausenator!
PETER: Gib her!
PAUL: Pech.. eingehängt. (legt den Hörer zurück) Na, wenn's wichtig ist, meldet der sich wieder. Hör mal... Da fällt mir was ein. Was machen wir, wenn der Zander kommt? Der
Mann hat Geld! Willste ihm nur Kaffee servieren? Wie wär's mit einem richtigen Geschäftsessen?
PETER: Wie willst du das schaffen. In der kurzen Zeit?
PAUL: Ha! Ich kenn da jemanden, der kann sogar servieren. Serviert mit Witz, streichelt Köpfchen, gibt Küsschen.. und knackig ist sie auch.
SABINE: Die ist unbezahlbar.
PETER: Du meinst.. (betrachtet SABINE unzufrieden) Er kommt schon in drei Stunden.. Wie wollt ihr das schaffen?
PAUL: Das KaDeWe ist gleich um die Ecke.
PETER: Also gut. (zu SABINE) Und du.. Willst du?
SABINE: Wat krieg ich?
PETER: Zweihundert.
SABINE: Dreihundert. Und Spesen. (zu PAUL) Was genau sind Spesen?
PAUL: Die machen wir gleich. Komm ins Delikatessenparadies!
PETER: Und, Sabine, anständig reden, hörst du? Muss ja nicht jeder gleich wissen, woher du kommst.
SABINE: Werde mich bemühen, mein Herr.
PAUL: Na los, Madamchen. (beide ab)
Blackout
7
(Um den mit Delikatessen gedeckten Tisch sitzen ZANDER, PETER und PAUL, SABINE steht seitwärts als Bedienung)
PETER: Wir sind nichts, nur ein Haufen Atome. Wir sind das, was wir schaffen. Was ich baue, wird nach mir noch existieren, um Jahrzehnte, Jahrhunderte vielleicht.. Ich kann gar nicht
genug bauen, seit ich weiß, dass ich de facto ein Nichts bin.
PAUL: Gib mir dein Nichts, kriegst du meines
ZANDER: Was reden Sie da! Bauwerke.. Sehr schön! Aber was ändern sie? Wir halten die Welt in Bewegung! Bewegung ist alles! Die Wiedervereinigung geht auf das Konto des freien
Unternehmertums, unser nächstes Ziel ist die Vereinigung Europas und dann der ganzen Welt. Wir brauchen nur ein bisschen Zeit. Übrigens gibt es da eine Formel, die zeit auszutricksen, von
Einstein, glaub ich, sobald ich die kapiert habe, steck ich da mein Geld hinein... Ja, meine Herren, wir sind schon was! Jeder Unternehmer ist eine Sonne, ohne ihn keine blühenden Landschaften.
(ruft) Ka1tmamselll (leiser) Hübsch, was? Ja, das Altberlinerische hat Musik! (ruft, ohne SABINE zu sehen) Kaltmamsell !
SABINE (tritt in sein Sichtfeld): Wie kalt wünschen der Herr die Mamsell?
ZANDER (verblüfft): Na so was! Sie ha sich versteckt. Ein Pils, bitte.
SABINE (mit einem angedeuteten Knicks): Sehr woh1. (ab in die Küche)
ZANDER: Warum versteckt sie sich? Ist doch was Hübsches.
PETER: Wollen Sie nicht lieber was Spritziges?
ZANDER (witzig): Ist sie nicht spritzig genug?
PETER: Zu trinken, meine ich.
ZANDER: Später, später... (SABINE kommt mit Tablett, darauf das gefüllte Bierglas) Toll! Sie haben den Gang einer Königin.
SABINE (ihm das Glas hinstellend): Wenn Sie mein aufrechter Gang stört, kann ich ja auch kriechen...
PETER (zu SABINE): Was soll das! (zu ZANDER) Entschuldigen Sie, sie ist nur Aushilfe.
PAUL: Sie ist noch im ersten Lehrjahr.
PETER: Aus Ost-Berlin..
ZANDER (1acht): Ganz schön frech! Mit eurer Schnauze und meinem Geld werden wir Weltmeister, was Tiedge?
PETER: Sind wir schon. Im Provinziellen. Erinnern Sie sich noch an die DDR-Zöllnerinnen zu Mauerzeiten? Am liebsten wollte man diesen armen, überanstrengten Wesen die enge, graue Bluse
aufknöpfen, damit ein bisschen Leben reinkommt.
ZANDER: Oder rauskommt. (lacht)
PETER: Ich sag Ihnen was. Der Stadt fehlt es an Mut, an 0ffenheit, sie duckt sich ins Biedere.
ZANDER: Sehr wahr. In dieser Stadt stehen die Häuser vor dem Lineal stramm.
PAUL: Wenn Sie gestatten, das ist preußisch.
PETER: Ja, alles in Reih und Glied oder im Viereck der Mietskasernen und nach DIN! Dass noch keiner gemerkt hat, wie das Denken in Blöcken das Denken blockiert! Und dann kann das
Grundstück nicht groß genug sein. Ich sage Ihnen, es genügen ein paar Handtuchbreiten... und der Mensch hat den ganzen Himmel über sich. Ja, eine Architektur ohne Grundstücke, frei schwebend im
Raum.. im Universum! Das ist groß, so müsste man mal bauen!
PAUL: Sabine, nicht mehr nachfüllen!
ZANDER: Na hören Sie mal. Architektur ohne Grundstücke! Das wär ja ne Luftnummer! Da wärn wir aber schnell pleite.
PETER: Dann machen wir eben unsere Geschäfte mit jedem Kubikmeter Himmel. In die Höhe müssen wir, in eine völlig unterschätzte Dimension. Auf der Erde herumkriechen, das haben wir lange
genug gemacht. Deutschland ist wiedervereint, Berlin Hauptstadt, jetzt wolln wir ma1 beweisen, dass wir Größe haben, die nicht in Knobelbechern ausgemessen wird!
ZANDER: Donnerwetter. Und wie soll das gehen, bitte?
PETER: Erlauben Sie, dass ich Ihnen etwas zeige. (steht auf) Kommen Sie.
ZANDER (steht auf, folgt ihm): Nanu. Haben Sie einen geklauten Picasso?
PETER (drückt auf den Computer): Sehen Sie!
COMPUTERSTIMME: Ich bin dein Turm, bau mich.
ZANDER: Babbelt da Herr Babel?
PETER: Moment! (tippt) Sehen Sie!
ZANDER (beugt sich über den Bildschirm, nach einem Augenblick Stille): Holla! Wenn das nicht großartig ist! Gratuliere, Tiedge, gratuliere. Das wollen Sie baun?
PETER: Ich sag Ihnen was. Dieser Turm, der nordische Himmel und es entsteht ein Menschenschlag mit einem Blick fürs grenzenlose Weite.
ZANDER: Bravo, bravo! Das ist neues Germanentum! (zu PAUL) Endlich ma1 wieder einer, der eine Vision hat. (zu PETER) Ich sehe eine großartige Zukunft für Sie! Allerdings...
Mit ein paar Mark ist das nicht getan.
PETER: Ich kalkuliere eine knappe Milliarde.
ZANDER: Na, da hilft Ihnen auch mein Geld für Ihre beiden Häuser nicht. Hören Sie.. So ein Turm muss mitten in die Stadt.
PETER: Ja, natürlich. Aber da gibt es kein Grundstück.
ZANDER: Das suchen Sie also noch? Was halten Sie vom Alexanderplatz? Oder vom Kudamm? 200 m hoch! Die Sensation! Würde man aus allen Richtungen sehn! Wissen Sie was. Arbeiten wir
zusammen! Ich besorge Ihnen das Grundstück. Und Sie geben mir 20 % Beteiligung am Turm. Und wie viele Millionen brauchen Sie noch? Kriegen Sie auch!
SABINE (leise zu PAUL): Sach ma.. Wat issn hier los?
PAUL (ebenso): Siehste doch. Jeschäftessen.
ZANDER: Morgen schon können wir das Papier
unterschreiben.
PETER: Wenn Sie es schaffen mit dem Grundstück. Nur dann.
ZANDER: Krieg ich hin.
PETER: Einverstanden. Aber verraten Sie mal, wie.
ZANDER: Beziehungen, mein Lieber. Turmmäßige Beziehungen sozusagen. Ihre Hand, Tiedge. (Sie geben sich die Hand) Morgen komm ich mit dem Vertrag. Und ja, das gibt Kampf! Aber wir
sind es gewohnt, nicht wahr. Wir schonen weder Mittel noch Menschen! Und jetzt, meine Herren! Champagner, wenn ich bitten darf! Gnädige Frau Kaltmamsell..
SABINE (will etwas sagen): Ich..
PETER (unterbricht sie): Gießen Sie ein! (Sie gießt sein Glas voll) Danke.
SABINE: Wieso danke? Mehr passt ja auch gar nicht mehr rin. (will zum nächsten Glas, stolpert beinahe über einen Rucksack)
ZANDER: Nanu... Mein liebes Kind, Sie haben doch nicht schon heimlich. (sieht den Rucksack) Ein Rucksack! Verreisen Sie, Tiedge? Etwa die Steuerfahndung auf den Fersen?
PETER: Der sollte doch weggeräumt sein!
SABINE: Verzeihung. Das ist meiner. Ich war einkaufen.
ZANDER: Das ist doch ein Wanderrucksack?
SABINE: Ja, ooch jekooft. Auch gekauft, gnädiger Herr. Ich wander gern mal.
ZANDER: Ich auch! Ich könnte mir den glatt aufsetzen und losmarschieren!
SABINE: Den aufsetzen? Das schaffen Sie nie.
PETER (zu SABINE): Ich bitte Sie, sich nicht einzumischen. Halten Sie sich an Ihre Aufgabe!
ZANDER (neckisch zu SABINE): Was krieg ich? Einen Knutscher? Und wenn ich's nicht schaffe, was wolln Sie? Zwei Knutscher?
SABINE: 500 Mark.
PETER: Paul, stop sie!
SABINE: Hat er Millionen, hat er auch 500.
ZANDER (lacht): Großartig! Abgemacht! Platz da! (Er will den Rucksack heben, verblüfft) Ist der angenagelt? Was ist da drin?
SABINE: Nur Lebensmittel für die ausgehungerten Ossis.
ZANDER: Ein halbes Schwein, was? Bei welchen Bauern waren Sie? Früher hieß das Organisieren. (hebt endlich den Rucksack) Jetzt passen Sie mal auf! Man macht das mit einem Schwung.
(schleudert den Rucksack, kommt dabei ins Taumeln, PETER fasst rasch zu, endlich hat er den Rucksack auf dem Rücken, stolz) Sehen Sie! Und jetzt zeig ich Ihnen noch was, meine Schöne, ich
werde marschieren. Fragt sich nur, wohin?
SABINE: Auf den Tisch! Und dann zeig ich Ihnen was Besonderes!
PETER: Paul!
PAUL (zu SABINE): Du wirst doch nicht.. Oder doch?
ZANDER: Meine Herren. Es wird mir etwas Besonderes angeboten, jetzt gibt es kein Halten mehr! (steigt auf einen Sitz, dann auf den Tisch, wobei PETER ihm teils hilft, teils das
Geschirr beiseiteschiebt, PAUL hält den Tisch fest, ZANDER steht oben.) Na bitte. In schwindelnder Höhe erreich ich mein Ziel. (schaut sich um) Schöne Aussicht. Eine Nebelwand. Nicht
so schlimm. Sind zwei Fenster drin. Und was nun, schöne Maid? Heißen Sie vielleicht Loreley? Zeigen Sie mir was Schönes!
SABINE: Moment… Schließen Sie die Augen!
ZANDER (tut es): Oho!
SABINE: Und bewegen Sie sich nicht! Sie stehen..
PAUL: ... mit beiden Füßen im Schlaraffenland. Bitte zertrampeln Sie's nicht.
SABINE: Ja, auf einem Berg! Sie stehen auf einem Berg. (Sie wird immer sicherer) Und da, grün bis zum Horizont: Wälder. Doch da.. sehen Sie! Da blinkt es weiß.
ZANDER: Oha, Dessous, was?
SABINE: Das ist ein Segel. Ja, es ist ein Segelboot auf einem See. Und das sind Sie in dem Boot!
ZANDER (stets mit geschlossenen Augen): Nanu, bin ich auf dem falschen Dampfer?
SABINE: Und Sie sind jung. Ihr Haar fliegt im Wind. Sie spüren es bis in die Haarwurzeln. Unter Ihrer Axel halten Sie das Ruder fest. Oh.. Sie gefallen mir!
ZANDER: Sie sind auch da? Im Bikini, was? Oben ohne?
SABINE: Die Tropfen in Ihrem Gesicht... Sind das Wassertropfen oder Schweißtropfen?
ZANDER: Ich weiß es nicht mehr. Wie alt bin ich?
SABINE: Jung. Vielleicht zwanzig.
ZANDER: So jung? Und was machen Sie mit mir?
SABINE: Ich nehme Ihre linke Hand, halte sie ins Wasser. Spüren Sie? Der See saugt an Ihren Fingern. Wie ein Mund. Das kennen Sie doch?
ZANDER: O. .. bitte.
SABINE: Und die Wellen schmatzen, der Wind streift Ihre Haut und über Ihnen ist ein Himmel.. ein blaues Rauschen... Licht und Weite... und Freiheit... Spüren Sie's? Freiheit, ist das
nichts? Das ist das Höchste! Freiheit! (Stille) Das klappt wahrscheinlich nur, wenn man zwanzig ist.
ZANDER (öffnet die Augen): Können Sie sich vorstellen, Tiedge, dass ich mal zwanzig war? Ich nicht. (schaut sich um) Wie komm ich hier wieder runter?
SABINE: Nehmen Sie meine Hand. (Er tut es, steigt herunter)
ZANDER: Es war interessant da oben.. wirklich. (schluchzt plötzlich auf) Tiedge, ich bin gerührt!
PETER (umarmt ihn): Beruhigen sie sich! (zu SABINE, leise) Hexe!
PAUL: Bratpfanne umarmt Rührei.
SABINE: Die Wette hat er verloren.
ZANDER: Jetzt muss ich raus, unter die Leute. Wo ist die nächste Kneipe? Ich mach ein Fass auf. (zu SABINE) Sie kommen mit! Ich bezahl alles.
SABINE: Nee.
PETER (zu ZANDER): Ist auch besser so. Gehen wir, aber lassen Sie den Rucksack da.
(ZANDER wirft ihn ab)
SABINE: Ich krieg noch 500 Mark! Die Wette haben Sie verloren!
ZANDER: Welche Wette?
SABINE: Sie wollten sich den Rucksack allein aufsetzen.. aber Herr Tiedge hat Ihnen geholfen!
PETER: Ach was!
SABINE: Dit stimmt!
ZANDER: Kommen Sie doch mit! Wie wär's mit einem Segeltörn?
SABINE: Nö.
ZANDER: Vielleicht glauben Sie, bei mir dreht sich alles um Rendite, Profit, Kapital, Geld.. Sie irren sich! Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen, dass ich 1ebe. Und wie! Alles ist doch nur für
das
Leben da. Das ganze Geld...! Kommen Sie. Sie haben ja noch gar nicht richtig gelebt! Sie sind von drüben. Da war man doch in einem Sarg!
SABINE: Eigentlich fühlte ich mich ganz lebendig.
ZANDER: Ja, aber jetzt.. Mein liebes Kind! Wir haben Sie gerettet, gerade noch rechtzeitig. Na, kommen Sie mit?
SABINE: Nein.
ZANDER (nimmt aus der Brieftasche 500 Mark): Sie können die Summe verdoppeln. Verdreifachen.. Nein? Vervierfachen!
SABINE: Nee. (steckt die Scheine weg)
ZANDER: Süße Jugend, aber dumm, dumm, dumm! Gehn wir.
PETER (zu PAUL): Und du machst hier Schluss, ja? (ZANDER und PETER ab)
PAUL: Erst mal mach ich richtig Schluss mit den Futteralien, so was 1ässt man doch nicht verkommen. (setzt sich) Komm, haun wir noch mal rein.
SABINE: Jetzt wird mir schwindlig. (hält sich am Tisch fest)
PAUL: Det is vom Hunger. Komm, setz dich.
SABINE: Nee. Fahr mich lieber nachhaus.
PAUL: Haste nen Knall? Alkohol am Steuer. (schiebt sich was in den Mund) Spitze, die Lachsröllchen.
SABINE: Paul.. Mir ist schlecht. (Es klingelt, sie geht an die Sprechanlage) Ja?
STASI-MANNs Stimme: Zu Herrn Tiedge.
SABINE (zu PAUL): Der will zu euch.
PAUL: Zum Teufel mit ihm!
SABINE (in die Sprechanlage): Zum Teufel mit Ihnen!
STASI-MANNs Stimme: Ich bin der Teufel.
SABINE (zu PAUL): Er ist der Teufel.
PAUL: Echt? (geht zur Sprechanlage) Wer da?
STASI-MANNs Stimme: Sie kennen mich doch, Herr Paul!
PAUL: Moment! (zu SABINE) Bienchen. Du musst
jetzt gehen. Der Besuch ist strenggeheim. Nimm den Rucksack und hau ab.
SABINE: Ich will ihn sehn!
PAUL: Besser, er sieht dich nicht. Beeil dich!
SABINE: Du schmeißt mich raus?
PAUL: Es geht um Leben und Tod! Gib Küsschen!
SABINE: Leck mich! (ab)
(PAUL drückt den Öffner, STASI-MANN kommt)
PAUL: Der Teufel. Genau.
STASI-MANN: Und sein Gehilfe. Wir kennen uns lange genug.
PAUL: Wir kaufen nichts! Sie brauchen Ihre Aktentasche erst gar nicht auszupacken.
STASI-MANN (sieht den Tisch): Sieh mal an! Teuer, vermutlich?
PAUL: Was haben Sie erwartet? Mitropa?
STASI-MANN: Die Geschmacksrichtung liegt mir. Gestatten Sie. (isst) Trauben ohne Kerne! Die Verpflegung lässt nichts zu wünschen übrig. (isst) Wollen Sie mir nicht wenigstens
einen Kaffee anbieten?
PAUL: Nein.
STASI-MANN: Nicht sehr gastfreundlich.
PAUL: Sie riechen schlecht. Es riecht nach Unheil.
STASI-MANN: Ich komme in friedlicher Absicht.
PAUL: Unmöglich. Sie werfen gleich eine Bombe.
STASI-MANN: Dafür bin ich nicht ausgebildet.
PAUL: Also was?
STASI-MANN: Na gut. Sie wissen, ich habe Ihre Akte. Ein durchaus historisches Dokument, das es wert wäre, veröffentlicht zu werden.
PAUL: Wie viel?
STASI-MANN: Lieber Gott! Der Anruf ist jetzt gestattet. Mein Glauben tendierte schon immer zu Gott. Es fehlte nur das Ambiente, das passende Gesellschaftssystem. Also, lieber Gott, was
soll ich dazu sagen. Wie viel! Wie oft ich das in letzter Zeit höre. Als ginge es immer nur ums Geld.
PAUL: Was denn sonst?
STASI-MANN: Mir genügt Ihr Schweigen. Das ist nicht zu viel verlangt, hoffe ich. Teilen Sie niemandem mit, auch nicht Ihrem Bruder, aus welcher Firma ich komme. Es könnte einen Kartenturm
zum Einsturz bringen. Ich sag es Ihrem Bruder selber zu einem Zeitpunkt, den ich für richtig halte.
PAUL: Gut, ich halte die Klappe.
STASI-MANN: Wissen Sie, erst in letzter Zeit wird mir klar, wie viel ich in meinem Leben verpasst habe. Ein Mensch hat schließlich Ambitionen. Auf einem niedrigen Stand bleiben.. Das kann
doch nicht Sinn unseres Lebens sein. Leider war es das in der gewesenen DDR. Man kam nicht weiter, man kam nicht höher. Aber der Mensch strebt nun mal nach Höherem. Das ist mir bewusst geworden.
Der Kapitalismus hat mich sozusagen erweckt..
PAUL: Würden Sie so freundlich sein, jetzt zu gehen?
STASI-MANN: Aber sicher. Das Wichtigste ist ja gesagt. Ich kann mich auf Sie verlassen?
PAUL: Verlassen ist ein gutes Wort.
STASI-MANN: Verstehe. Sagen Sie, haben Sie Schwierigkeiten mit Ihrer Braut?
PAUL: Es ist nicht meine Braut.
STASI-MANN: Achja, stimmt. Die Zweitfrau. Seien Sie vorsichtig. Sie ist nicht geeignet für unser – wie heißt das heute - Teamwork. Sie brauchen mich nicht zur Tür zu bringen. Ich kenn den Weg. (ab)
Blackout
8
(ZANDER, PETER, PAUL)
ZANDER: Morgen, die Herrschaften. Gut geschlafen? (zu PETER) Sag b1oß, du hast einen Kater!
PETER: War ein bisschen viel heut Nacht.
ZANDER: Da weiß ich ein gutes Mittel, pass mal auf..
PETER: Ach lass.. Du kommst wegen der Unterschrift?
ZANDER (reicht ihm Papiere): Lies es durch und unterschreib. In der Zwischenzeit mach ich ne Pause und zeig dir, wie du wieder topfit wirst. Pass auf! Kleine Entspannungsübung.
(erstarrt)
PETER: Was macht er?
PAUL: Die chinesische Kaffeepause. (Es klingelt. PETER stöhnt.)
PAUL: Ich geh schon. (an der Sprechanlage) Ja?
SABINEs Stimme: Aufmachen!
PAUL: Herrje. (drückt) Einen Ton hat sie.
PETER: Nicht reinlassen!
PAUL: Schon passiert, entschuldige. Ein Reflex. Ich wimmel sie ab. (geht ab zur Tür)
SABINEs Stimme (an der Wohnungstür): Nur rin, Frau Kramer. Und keine Angst!
PETER: Wen schleppt sie da mit? Die Kramer?
ZANDER: War das nicht die Stimme von Loreley?
(PAUL kommt mit SABINE und FRAU KRAMER)
SABINE: Kommen Sie nur, Frau Kramer.. Ach, Herr Zander. Auch da? Tolle Nacht gehabt?
ZANDER: Ja, aber ich hab Sie vermisst.. Und was bringt Sie hierher, schönes Kind?
PETER: Schmeiß sie raus, Paul, um Himmelswillen, schmeiß sie raus!
SABINE: Na, das wolln wir doch mal sehn. Setzen Sie sich, Frau Kramer.
(FRAU KRAMER seztzt sich)
SABINE (geht zum Tisch, greift sich ein Papierblatt, beginnt zu schreiben): An der Hauswand hat sie gelehnt, ich musste sie stützen. Hatte nicht den Mut, hier hoch zu kommen.. Ihr
seid ja wie die Mafia! So. Fertig.. Hören Sie zu, Frau Kramer. (liest) Hiermit verzichte ich auf alle Eigentumsansprüche betreffend der Immobilie von Gerda und Gustav Kramer. Berlin
und so weiter.. Unterschreib! (legt PETER das Papier hin)
PETER: Spinnst du?
SABINE: Los. Unterschreiben! Das Grundstück gehört dir nicht!
ZANDER: Grundstück! Jetzt begreif ich!
FRAU KRAMER: Ja, das gehört mir und meinem Mann.
PETER: Unsinn! Wo leben wir denn? Noch in der DDR?
PAUL: Nun zähln wir alle erst mal bis tausend.
SABINE (zu PETER): Das hättste wohl gern, was? Dann wärst du jetzt unser Parteivorsitzender.
ZANDER: Frau Kramer, meine Verehrung! Freut mich überaus, Sie kennenzulernen. Haben Sie vielleicht noch ein Grundstück? Großartig! Was verlangen Sie dafür? (zu SABINE) Und Sie sind
also in Wirklichkeit Maklerin? Dachte ich mir. Ein vielseitiges Talent!
SABINE: Lasst die Frau endlich in Ruh, ihr bringt sie ja um. Unterschreib!
ZANDER: Ich verstehe! Frau Kramer will ein Grundstück. (zu PETER) Von dir! Wie viele Millionen hat sie? Wieso kenn ich sie nicht?
PETER: Nichts hat sie! Nichts. (zu PAUL) Was stehst du hier rum? Tu was!
PAUL: Ich zähl bis tausend.
PETER: Wirf sie raus.
SABINE: Na fein, wenn das so ist. Gehn wir. Wir nehmen sogar den kürzesten Weg nach
draußen. Kommen sie, Frau Kramer! (sie geht zum Fenster) Einmal gab's hier Jubel und Gesang. (Öffnet das Fenster, Verkehrslärm) Puh, was für'n Krach. (schaut nach
unten) Vierter Stock. Diesmal seh ick das Pflaster. (klettert aufs Fensterbrett) Was ist der Preis von Ihrem Grundstück, Frau Kramer? Damit ich weiß, was mein Leben wert ist.
PAUL: Du willst doch nicht springen?
SABINE: Nee, fliegen.
FRAU KRAMER: Du lieber Jott... nee... Nicht doch!
SABINE: Die Armen zahlen mit ihrem Leben, die Reichen mit Geld. Das liegt daran, dass die Reichen leider kein Leben haben.
PETER: Alles Theater.. lass sie springen! (SABINE macht Anstalten zu springen) Um Himmelswillen, haltet sie zurück!
PAUL: Also was denn nun.
ZANDER: Donnerwetter, daran erkenn ich den Osten. Da zählt noch der Einsatz des Lebens und wenn es bloß das eigene ist!
PETER: Die kriegt es fertig und springt. Ich unterschreibe.
ZANDER: Fantastisch! Ohne Kapital, nur mit dem bloßen Leben kann man Grundstücksgeschäfte machen! Eine mir völlig neue Methode, aber, wie ich sehe, durchaus erfolgreich.
PETER: Sie will mich vernichten, die Hexe!
SABINE (vom Fenster steigend): Wir wolln doch lieber auf dem Teppich bleiben. Es geht um das Haus von Frau Kramer.
FRAU KRAMER: Ja, bitte? Meinen Sie mich?
PETER (vom Schreibtisch aufblickend): Jetzt weiß ich's wieder. Um den Turm geht es! Um meinen Turm! Nein! Ich unterschreibe nicht! Niemals!
SABINE (wendet sich wieder dem Fenster zu): Wie praktisch, es ist noch offen.
ZANDER: Dass es so was noch gibt! Die reine Jeanne d'Arc.
SABINE (hinaufkletternd): Nun wird's aber Zeit, die Leute kieken schon.
FRAU KRAMER: Tun Sie das nicht! Sie haben doch nur das eine Leben!
ZANDER: Nicht doch, Frau Kramer, das ist Public Relations. Wie heißt das auf Russisch?
SABINE: Platz da unten! (will springen, PAUL reißt sie zurück)
FRAU KRAMER: Ist sie tot?
PETER: Aufhörn! Ich unterschreibe.
ZANDER (zu SABINE): Eine fabelhafte Verkaufstechnik! Aber im Vertraun. Wer garantiert eigentlich, dass der andere klüger ist und nachgibt?
SABINE: Schade eigentlich. Der Kudamm ist so ne attraktive Lage.
PAUL: Auch noch frech werden! Du, ich nehm das persönlich, das hast du alles gegen mich gerichtet, eindeutig: Es ist nämlich zum Haareausraufen!
PETER (will unterschreiben, hält inne): Was tu ich da? Das ist ein Todesurteil! Für meinen Turm! Niemals! Nein! Eher spring ich aus dem Fenster!
PAUL: Wenn das nicht sofort aufhört mir der Rausspringerei, dann spring ich.
ZANDER (mehr für sich): Was die Methode betrifft, so hab ich's eigentlich nicht nötig, aus dem Fenster zu springen. Ich werde dafür jemanden einstellen. Es gibt genug
Arbeitslose.
SABINE: Also was jetzt? Unterschreibst du?
PETER: Ich denk nicht dran. Lass dir was anderes einfallen.
PAUL: Ehrlich. Wolltest du wirklich..
FRAU KRAMER: Wir sollten lieber gehen. Bitte..
SABINE: Moment. Wir müssen uns kurz beraten. (nimmt FRAU KRAMER beiseite, sie flüstern)
ZANDER: Und ehrlich muss es sein! Ohne Ehrlichkeit ist es nicht überzeugend. Und ein junger Mensch muss es sein, einer mit Idealen. Und dann, zum Springen, eine attraktive Lage. Kein
Hinterhof. Das muss ja gesehen werden.
PETER: Was sagen Sie da?
ZANDER: Presse, TV, Rundfunk. Am besten, ich schicke vorher eine Presse-Einladung.
PAUL: Ich finde, die Geschichte nimmt geradezu kriminelle Ausmaße an. Ein Selbstmord als Erpressung!
ZANDER: Kriminell? Nicht wenn der Tatort eine Behörde ist. Ich lass die Person aus einem Verwaltungsgebäude springen.
PETER: Was redet er da?
PAUL: Keine Ahnung. Vielleicht wieder was Chinesisches..
PETER: Und was hecken die beiden aus. Das macht mich nervös.. Was ich jetzt nicht brauchen kann, ist ein Skandal.
ZANDER: Richtig! Ein Skandal! Am besten an einem politischen Gebäude, das kommt sofort in die Nachrichten. Ich werde den Reichstag mieten. (zu PAUL und PETER) Wie hoch ist die Miete
beim Reichstag?
PAUL: Mit oder ohne Abgeordneten?
ZANDER: Das wäre zu über1egen. Wahrscheinlich eine Kostenfrage.
(SABINE und FRAU KRAMER kommen aus ihrer Ecke)
SABINE: Wir gehen, aber wir kommen wieder. Die Sache ist noch nicht beendet.
FRAU KRAMER: Ja, und bitte beruhigen Sie sich Herr Tiedge. Man wird sich doch verständigen können. Aber ohne Aufregung, so was wie jetzt, das ist nicht jut. Wiedersehn. (beide
ab)
PAUL: Siehste, sie ist doch ganz vernünftig.
PETER: Kommt mir seltsam vor.
ZANDER: Es war sehr eindrucksvoll. Es fehlte bloß der öffentliche Rahmen, dann hätte es geklappt. Andererseits, Herr Tiedge. Was soll das Theater? Ich besorg uns ein Grundstück, das ist
meine Aufgabe.
PETER: Noch hab ich es nicht.
ZANDER: Ich kümmer mich drum. Haben Sie unterschrieben?
PETER: Ja. (reicht ihm den Vertrag) Die Kopie behalte ich.
ZANDER: Und in zwei Wochen haben wir das Grundstück, das garantier ich Ihnen. Und es wird in zentraler Lage sein. Ganz sicher. Jetzt machen Sie am besten meine chinesische Übung, das wird
Sie entspannen. Ihr Bruder kann es Ihnen zeigen. Wiedersehn! (ab)
Blackout
9
(PETER und PAUL)
PETER: Format und Stil. Ich vermisse das. Die Gesellschaft ist platt und wabbelig. Menschen ein Matsch aus Pantoffeltierchen. Wo sind die Charaktere mit Ecken und Kanten? Wo ist die Härte,
die Brillanz geistiger Größe? Von der Schärfe des Verstandes ganz zu schweigen. Paule, du weißt ja nicht, wie mich das anekelt. Aber ich muss da durch! Muss durch. Das hab ich von Vater: Tu was
du musst, und tu es so, dass es niemand übersehen kann.
PAUL: Hat er mir nie gesagt.
PETER: Er wusste, wem er was sagt.
PAUL: Ich kann mich nicht erinnern, dass er mir überhaupt was gesagt hat. Ich hab ihn eigentlich immer nur kommen und gehen gesehen. Er war nie da. Stimmt's?
PETER: Du warst nie da. Du hast dich immer draußen rumgetrieben. Und die Schule haste auch geschmissen.
PAUL: Die Lehrer hatten Pläne, ich hatte Pläne, meine warn mir näher.
PETER: Und heute haste nur noch den Stadtplan von Berlin.
PAUL: Willste Streit? Komm her, prügeln wir uns wie früher.
PETER: Blödsinn.. (holt aus der Jacke einen
dicken Umschlag) Hier, wie besprochen. Danke für deine Mitarbeit. Kannst dich wieder auf den Bock setzen.. (reicht ihm den Umschlag)
PAUL: Ich muss die Karriereleiter am falschen Ende bestiegen haben. Erst meine Abdankung als Architekt, dabei hab ich mich um die Stadt verdient gemacht, ich hab kein einziges
Haus gebaut. Jetzt also der Abschied als Geschäftspartner. Auch da lässt sich meine Leistung sehen: ich hab alle deine Geschäftsfreunde unter den Tisch gesoffen. So, Bruderherz, und jetzt sag
mir, wann tret ich als Bruder ab?
PETER (prüft sein Aussehen im Spiegel): Hörst dich gern reden, was?
PAUL: Gott, ja. Ich bemühe mich.
PETER: Wir hatten eine Abmachung auf Zeit. Und schließlich wollen wir wieder seriös sein, alles hat seine Zeit. Ab sofort moralisch einwandfrei, wenn ich bitten darf. Gott sei Dank hat
sich vieles zum Bessern verändert.
PAUL: Ich seh's.
PETER: Berlin ist Hauptstadt. Wird Weltstadt. Umbruch und Aufbruch wo du hinsiehst.
PAUL: Den Abbruch nicht vergessen.
PETER: Das muss sein. Das Alte macht dem Neuen Platz! Ich sag dir was. Die Leute laufen rum, als suchten sie was. Und weißt du was? Den Staatsfeind suchen sie! Aber der ist futsch. Seit
dem Ende vom Sozialismus wissen die Leute nicht mehr, gegen wen sie wütend sein solln. Jetzt wüten sie gegen sich selbst. Sie jammern, sie zweifeln, sie prügeln sich. Stell dir vor, wir wären
Franzosen und dann die Wiedervereinigung. Ein Jahrhundertspaß wäre das!
PAUL: Wenn der da im Spiegel dich nervt... Warum siehste dauernd hin?
PETER: Ich kann mir im Spiegel zunicken. Hab schon immer das Kleinkarierte verachtet, das Miefige gehasst, schon zu Mauerzeiten. Ich kämpfte für große Architektur, als alle noch den
Dachausbau für den Gipfel des modernen Städtebaus hielten! Ich wusste, ich würde Recht behalten und meine Zeit wird kommen. Jetzt ist sie da. Große Bauten werden gebraucht. Unbelastet und
voll Schaffensfreude gehen wir an die Architektur einer neuen Zeit.
PAUL: Herrjeh. Welche Zeitung hast du heut gelesen?
PETER: Hatte ein interessantes Gespräch beim Bausenator. Er sagte, die Stadt hat große Probleme, sie sei eben jetzt eine Metropole. Worauf ich sagte: Hätten wir große Politiker, wären die
Probleme nur halb so groß. Und dann sprachen wir über seine Partei. Sie ist nicht übel. Ich denke, sie kann mich gebrauchen. (dreht sich eitel) Ich geh heute Abend zum Presseball.
PAUL: Allein?
PETER: Mit der Pressesprecherin von der BVG.
PAUL: Interessieren dich jetzt auch die Grundstücke der BVG?
PETER: Na, wie sehe ich aus?
PAUL: Du kriegst graue Haare.
PETER: Dummkopf. Der Anzug!
PAUL: Stimmt, da ist doch was im Anzug. (geht um PETER herum) Jaja, das gibt was her. Einfach klasse! Toll. Das kleine Schwarze. Das kleine Rote. Das kleine Goldne.. Nicht zu sehen,
aber es schmückt ungemein. Ein guter Schneider. Gib mir seine Adresse.
PETER: Du redest mal wieder Stuss, mein Lieber. Wir können ruhig ein bisschen mehr Selbstbewusstsein zeigen, kannst du auch Stolz nennen.. auf neue Art natürlich.
PAUL: Welche meinst du? Die mit nem großen D aufm Trabi oder die mit nem kleinen D aufm Porsche?
PETER: Da fällt mir ein.. Mach jetzt Schluss mit Sabine. Es ist höchste Zeit! Ich hab die Nase voll. Der Geruch an ihr ist nicht auszuhalten. Das ist verwester Sozialismus.
PAUL: Deine Nase hat ne Macke.
PETER: Jedenfalls ist ab sofort meine Wohnung für euch tabu. Ist das klar?
PAUL: Ja, Boss.
PETER: Denk doch mal an deine Frau!
PAUL: Tu ich doch. Das ist doch der Grund.
PETER: Lass die Witze! Auch du musst dich ändern! Alls muss sich ändern. Ich mach dir einen Vorschlag. Wenn du's tust, kannst du bei mir weiter arbeiten. Chauffeur... und so
weiter. (prüft sich im Spiegel) Nein, passt doch nicht. (zieht den Schlips ab)
PAUL: Nee. Heut is nich mein Glückstag. (Es klingelt. Er geht zur Sprechanlage) Ja?
SABINEs Stimme: Mach schon auf. (Er drückt)
PAUL: Jetzt wo sie schon Hochdeutsch spricht, soll ich mit ihr Schluss machen?
PETER: Sag ihr endlich die Wahrheit. (ab ins Zimmer, SABINE kommt)
SABINE: Was machst du für ein Gesicht?
PAUL: Es ist mein wahres Gesicht. Ich bin nämlich gar nicht der, der ich bin.
SABINE: Ich weiß! Du bist schizophren! Na, das sind wir alle. (legt zwei Einkaufstaschen auf einen Stuhl) Kann ich über Nacht bleiben?
PAUL: Nein.
SABINE: Wieso nicht?
PAUL: Das hier ist Peters Wohnung.
SABINE: Es ist nicht mehr deine Wohnung? Seit wann?
PAUL: Schon seit immer. Und jetzt.. Was sein muss, muss sein. Zähl bis tausend, bevor du was sagst, ja? Also! Ich war nie ein Architekt, ich war immer bloß ein Taxifahrer.
SABINE: Achja? Seit wann?
PAUL: Wieso fragste immer seit wann? Seit immer!
SABINE: Du spinnst!
PAUL: Ich denk nicht daran! Ich bin jetzt total vernünftig und selbiges erwarte ich von dir!
SABINE: Klar. Dahinter steckt dein Herr Bruder! Der mag mich nicht. Das hab ich schon lange mitgekriegt.
PAUL: Und wenn. Das ändert nichts an der Tatsache. Jetzt ist Schluss!
SABINE: Ach, Paule.
PAUL: Was heißt ach Paule.
SABINE: Du bist ein armes Schwein. Er hat dich benutzt!
PAUL: Mich nicht! Mich benutzt keiner!
SABINE: Dann bist du ein verdammter Betrüger!
PAUL: Ja, du sagst es! Ein Betrüger bin ich! Ein Lügner, ein Vortäuscher falscher Tatsachen, es gibt kein Wort, das die ganze Gemeinheit trifft. Du musst mich verachten und dich von mir
hinweg begeben! Ich verstehe das!
SABINE: Nu komm ma her, du.
PAUL (geht zur ihr): Ja, schlag mich, ich bin ein Hund. (hält ihr die Wange hin) Es genügt ein symbolischer Akt.
SABINE (küsst ihn auf die Wange): Armer schwarzer Kater.
PAUL: Da haben wir's! Du verstehst mich nicht!
SABINE: Mensch, Paule, wir kriegen das schon hin! Mir ist doch schnuppe, wat du bist!
PAUL: Was? Lenk nicht ab! Wie hab ich dich behandelt? Belogen und betrogen! Und was tust du?
SABINE: Ick verzeih dir.
PAUL: Schäm dich!
SABINE: Nee, was du für Dinger drehst! Und denn noch zu Ostzeiten, wo se dich dafür hätten einbuchten könn'n! Kein Wunder, dass dir die Haare ausfalln. Haste wirklich geglaubt, ick nehm
dich nur, weilste Architekt bist?
PAUL: 'n anständiges Mädchen hätt mir eine gescheuert, peng! Und denn Schluss. So jehört sich das.
SABINE: Hab schon richtig verstanden. Das war'n Tritt von deinem Bruder, der galt eigentlich mir. Und ick soll dir noch eine runterhaun? Is dit so Sitte bei euch? Pauleken, ich mach mir
überhaupt nischt aus Architekten, so was kannste wegwischen. Aber den Leberfleck auf dem rechten Schenkel von dir.. da!.. Den kriegste nich weg. Paule, wo hab ick nen Leberfleck?
PAUL: Na, wo denn wohl. Auf der Leber natürlich.
SABINE: Siehste, Paule, für so ne Frechheit könnt ick dir knuddeln.
PAUL: Nee, wie verquer du denkst, richtig pervers. Nee, Schluss muss jetzt sein, Miesepeter hat mir nämlich seine Wohnung verboten. Aus und vorbei! Also tu, was das miesepetrische
Schicksal verlangt!
SABINE: Könnte dem so passen! Ach was, mach dir keinen Kopp, wir gehn einfach zu dir.
PAUL: Wat haste jesagt?
SABINE: Na, wir gehn zu dir. Du hast doch ne eigne Wohnung! Und wenn es bloß ne Bude ist!
PAUL: Ich? Niemals! Nischt hab ich! (besinnt sich) Aber natürlich hab ich eine. Aber zu mir? Unmög1ich! Dort sind die Maler.
SABINE: Die schicken wir nach Haus.
PAUL: Die sind doch da zu Haus! Die... Herrje.. (schnauft) Die dürfen da auch pennen, weil.. sie arbeiten Tag und Nacht.. Nee, Ideen hast du. Und außerdem muss ich mindestens seit
drei Tagen zur Arbeit. Höchste Zeit! Wo ist meine Jacke?
SABINE: Irgendwo werden wir doch 'n stilles Plätzchen finden, ich muss dir nämlich wat sagn.
PAUL: 'n stilles Plätzchen? In Berlin? Wo denn? Die Mauer is doch weg! Hab ich mich eigentlich schon rasiert? Oder iset jetzt Abend? Die Jacke! (findet sie, zieht sie überstürzt
an)
SABINE: Is dit ne Flucht?
PAUL: Ich komm zu spät! Muss nen Kumpel ablösen.
SABINE: Paul!
PAUL: Schlaf jut und komm jut nachhaus! (ab)
SABINE (nachrufend): Ick bin abjewickelt!
(PAUL kommt wieder)
SABINE: Paule!
PAUL (sich umsehend): Ich hab doch'n Couvert. So'n Briefumschlag..
SABINE: Meinste den, der dir aus der Arschtasche kiekt?
PAUL: Was? Jenau. Det isser. Diese Hektik macht mich janz bekloppt.
SABINE: Weeste eigentlich, wat dit bedeutet „abwickeln“?
PAUL: Ja, hab dich eingewickelt. Tut mir leid. Tschüss! (ab)
SABINE: Arbeitslos heeßt dit.
PETER (kommt aus dem Zimmer): Es stimmt alles, was er gesagt hat. Und noch was. Er ist seit 12 Jahren verheiratet und hat zwei Kinder. Ja, wirklich, tut mir leid.
(Sie packt langsam ihre Sachen und geht ab. )
Blackout
10
(PETER. Es klingelt)
PETER (an der Sprechanlage): Ja?
PAULs Stimme: Ich bin's. (PETER drückt)
PAUL (kommt): Guten Tag, ich bin dein Wurm, hau mich.
PETER: Blödmann.
PAUL: Um was geht’s?
PETER: Ich hab einen Auftrag für dich. Was von Sabine gehört?
PAUL: Nee, wieso?
PETER: Du hast doch mit ihr Schluss gemacht? Oder?
PAUL: Wie man's nimmt. Es war, wie wenn du ne Tür zumachst und die geht sofort wieder auf. Zu, auf, zu, auf, bis zum Nervenzusammenbruch.
PETER: Dann hau die Tür zu und schließ sie ab.
PAUL: Geht nicht. Ich bin für Gleichberechtigung in der Beziehung. Ich mach den Anfang und die Frau den Schluss.. Also was ist?
PETER: Auftrag vom Zander. (reicht PAUL Umschläge) Die Umschläge händigst du an die Empfänger persönlich aus.
PAUL: Was is'n da drin?
PETER: Parteispenden. Ganz legal.
PAUL: Warum muss ich das machen?
PETER: Er traut dir eben.
PAUL: Das ehrt mich.. Oder?
PETER: Red nicht so viel. Fahr los.
PAUL: Jawohl, Boss. Wie oft muss ich so was noch machen?
PETER: Weiß ich nicht. Wir stehn kurz vorm Erfolg, sagt er. Er hätte schon ein Grundstück in Aussicht. Hier, in der Nähe.
PAUL: Toll. Dein Turm vor der Haustür. Ist ja, wie
wenn man sein Spielzeug ins Bett mitnimmt. (ab)
Blackout
11
(PETER. Es klingelt)
PETER (an der Sprechanlage): Ja bitte?
FRAU KRAMERs Stimme: Ich bin's. Frau Kramer. Sie haben mich bestellt.
PETER: Ja, richtig. Bitte. Kommen Sie hoch. (drückt, FRAU KRAMER und SABINE kommen)
PETER: Ich hatte sie allein erwartet.
FRAU KRAMER: Aber so ist es richtiger, sagt sie.
SABINE: Ja, ich bin ihr Rechtsbeistand.
PETER: In diesem Fall haben Sie keinen nötig, das werden Sie gleich sehen.
SABINE: Das wird sich noch herausstellen. Außerdem
will ich noch Paul sprechen.
PETER: Der ist nicht da. Kannst wieder gehen.
FRAU KRAMER: Nee. Sie soll dabei sein, bitte.
PETER: Na schön. Bitte. (macht eine Geste, sie setzen sich) Was denken Sie, Frau Kramer. Was kommt jetzt?
SABINE: Etwas Kriminelles. Wie es sich bei Kriminellen gehört.
FRAU KRAMER: Bitte, Sabine.
SABINE: In Ihrem Schreiben künden Sie eine Änderung an. Meine Mandantin möchte gern wissen, um was für eine Änderung es sich handelt.
PETER: Mandantin. Jetzt übertreibst du.
SABINE: Ich bitte, mich mit Sie anzureden.
PETER: Mir wird hier Kriminelles unterstellt?
SABINE: Ist Unrecht nicht kriminell?
PETER: Wenn Sie beabsichtigen, die Unterhaltung
weiterhin auf diesem Niveau zu führen, sehe ich mich gezwungen, meinen Anwalt anzufordern.
FRAU KRAMER: Bitte...
PETER: Na gut. Frau Kramer, ich will Sie nicht länger auf die Folter spannen..
SABINE: Wir bitten darum.
PETER: Unterbrechen Sie mich nicht. Ich wende mich jetzt direkt an Ihre Mandantin. Frau Kramer, Sie dürfen mit Ihrem Mann in dem Haus wohnen bleiben.
FRAU KRAMER: Ist das ein Scherz?
PETER: Keineswegs. Es hat sich etwas Überraschendes ergeben. Ich kann meinen Turm woanders bauen. An einem viel besseren Ort. Nicht weit von hier. Am Berliner Zoo.
SABINE: Gratuliere.
PETER: So ein Turm gehört in die City und nicht an den Stadtrand. Das musste schließlich auch der Bausenator einsehen. Aber das ist nicht unser Thema. Was sagen Sie jetzt, Frau
Kramer?
FRAU KRAMER: Ich muss Sie noch mal fragen... Vielleicht habe ich Sie nicht verstanden. Wir dürfen in unserm Haus wohnen bleiben?
PETER: Nun ja, Ihr Haus bleibt in meinem Eigentum. Aber ich muss es nicht mehr abreißen und so können Sie dort wohnen!
SABINE: Frau Kramer bittet um eine schriftliche Bestätigung des neuen Sachverhalts.
PETER: Wohl in ein juristisches Lexikon gesehen?
FRAU KRAMER: Ja, bitte. Ich hätte es gern schriftlich.
PETER: Sie haben doch einen Zeugen unseres Gesprächs.
SABINE: Wir bestehen auf einer schriftlichen Bestätigung.
PETER: Himmel noch mal.. Gut. Ich schreib Ihnen ein
paar Zeilen. (ab ins Zimmer)
SABINE: Nicht mal einen Kaffee bietet er uns an.
FRAU KRAMER: Ich könnte jetzt auch keinen trinken. Meine Hände zittern... Meinen Sie, er meint es ernst. Was, wenn er einen Rückzieher macht?
SABINE: Nicht, wenn er das geschrieben hat.
FRAU KRAMER: Sie kennen ihn schon länger?
SABINE: Lang genug. Seinen Bruder kenn ich noch besser. Schauen Sie sich die Spiegelwand an! Sie müssen sich immer zusehen, egal, was sie gerade tun. Schauspieler und Publikum
gleichzeitig!
FRAU KRAMER: Sind Sie nicht ein bisschen ungerecht?
SABINE: Wenn Sie wüssten. (PETER kommt aus dem Zimmer)
PETER: Hier. Sogar auf meinem Geschäftsbriefbogen. (gibt FRAU KRAMER das Schreiben)
SABINE: Darf ich? (FRAU KRAMER gibt ihr das Blatt, SABINE liest) Da fehlt noch was. Ein kleiner Zusatz.
PETER: Wie bitte?
SABINE: Ja doch. Auf Lebenszeit, das muss noch dazu.
PETER: Unmöglich. Das kann ich nicht... Die Situationen.. Du hast es ja selbst erlebt. Sie haben ja selbst erlebt, wie schnell sich alles ändern kann.
SABINE: Sie schreiben es oder ich enthülle Ihr merkwürdiges Geschäftsgebaren. Da war nämlich jemand für Ihre Geschäfte unterwegs mit einem falschen Namen. Und mit diesem Namen hat er auch
unterschrieben.
PETER: Keine Ahnung, wovon Sie sprechen.
SABINE: Ich war bei den Verhandlungen mit dem Baukombinat dabei.
PETER: Gib her. (schreibt etwas auf dem Papier) Auf Lebenszeit. Naja, so jung sind wir ja nicht mehr. (reicht das Papier an FRAU KRAMER, aber SABINE nimmt es, liest, gibt es FRAU
KRAMER)
PETER (zu SABINE): Man merkt dir die kommunistische Schulung an. Und jetzt bitte, meine Damen, wenn Sie gehen wollen, ich habe zu tun.
SABINE: Moment. Da ist noch was.
PETER: Was denn noch zum Teufel?
SABINE: Das Kleingeschriebene. (zu Frau Kramer). Er wird Miete verlangen und nicht zu knapp. Was können Sie zahlen? 300? (FRAU KRAMER nickt. Zu PETER) Fügen Sie noch die
monatliche Miete hinzu. 300 Mark. (Sie reicht PETER das Blatt) Auch das auf Lebenszeit.
PETER: Bist du wahnsinnig? Sie bekommt noch 50.000 von mir!
SABINE: Dafür haben Sie ja das Haus.
FRAU KRAMER: Und den Garten, Herr Tiedge. Der ist gar nicht zu bezahlen, so schön ist der! Den pflegen wir auch schön weiter.
SABINE: Was meinen Sie, Frau Kramer. Sollten wir den Preis nicht noch ein wenig anheben?
FRAU
KRAMER: Nein, nein.. Es
reicht.
PETER (zu SABINE): Du bist ein Aas. Ich hab's gewusst, von Anfang an! (schreibt auf den Brief, gibt ihn SABINE zurück) Zufrieden?
SABINE: Es geht.
PETER: Es geht, es geht. Geht, bevor mir der Kragen platzt.
SABINE: Oha, der feine Kragen!
FRAU KRAMER: Ja.. Das ist wahr. Wir haben Sie lange genug gestört. Wiedersehn, Herr Tiedge. Und schönen Dank auch.
PETER: Bedanken Sie sich bei Ihrem Rechtsbeistand.
SABINE: Und teilen Sie Ihrem Herrn Bruder mit: Ich werde ihn noch aufsuchen.
PETER: Der schmeißt dich hochkantig raus, das garantier ich dir. (SABINE und FRAU KRAMER ab) Verdammt. Ich hätte nen Rechtsbeistand gebraucht...
Blackout
12
(Der Tisch ist mit Gläsern und Flaschen für vier Personen gedeckt. PAUL. Es klingelt. Er geht zur Sprechanlage).
PAUL: Ja?
SABINEs Stimme: Mach auf.
PAUL: Was willst du denn noch?
SABINEs Stimme: Meine Sachen abholen.
PAUL: Du hast noch Sachen hier?
SABINEs Stimme: Mach auf! Oder ich schrei hier unten den ganzen Kudamm zusamm! (PAUL drückt, SABINE kommt)
PAUL: Du hast überhaupt nichts mehr hier!
SABINE (schaut sich um): Doch. Meine Erinnerungen. Ich sammel sie ein und werd sie begraben. (sieht den gedeckten Tisch) Wieder'n Geschäftessen?
PAUL: Geht dich nichts an.
SABINE: Jaja.. Stand ja groß in den Zeitungen und die Abendschau hat darüber berichtet. Ganz Westberlin feiert! Der Turm, Weltniveau, Metropole. Was für ein Geschrei! Und während ihr jeden
Tag was zu feiern habt, haben wir jeden Tag was zu begraben.
PAUL: Nu geht das Jammern wieder los.
SABINE: Ach was, das ist Jubel. Es wird ja jeden Tag besser. (sieht zum Fenster, da steht eine leere Vase) Die gehört mir, die hab ich gekauft. (nimmt die Vase von der
Fensterbank) Hier hab ich mal was rausgeschrien. Heut könnt ich rauskotzen... Ich lass dit Fenster lieber zu. (dreht sich um) Und diese blöde Spiegelwand! Ihr müsst ja schon blind sein
vor lauter Spiegelguckerei! (schaun sich beide im Spiegel an) Alt biste jeworden. Übrigens, du wirst Vater. Aber dazu taugste nich. Probe nich bestanden. Durchjefallen. (will
gehen)
PAUL: Moment mal!
SABINE: Nicht einen Moment länger!
PAUL: Ich habe ein Recht..
SABINE: Haste nicht. Das ist meins und bleibt meins! Erst wollt ich's wegmachen lassen, ja, so jut war ich drauf. Aber denn dacht ich: Jemacht haste es, wiesde glücklich warst. Und so
wird's ein glückliches Kind, ja, dit schwör ick.
PAUL: Ich werd zahlen. Ich werd alles zahlen. Ich werd euch unterstützen. Sie soll alles haben.. Gib mir dein Konto!
SABINE: Wieso sie? Wenn's ein Junge wird?
PAUL: Wird's einer?
SABINE: Jeht dich nichts an. Und dein Geld kannste dir in die nicht vorhandenen Haare schmiern. Von uns beiden hörste und siehste nischt mehr. (Er will sie anfassen,
PETER kommt aus einem Zimmer) Finger weg! (sie haut ihm eine runter) Das hier! Das dir als Erinnerung! (ab)
PETER: Da hat's geknallt. Ich hab dir doch gesagt, du sollst sie nicht reinlassen.
PAUL: Erinnerst du dich, wie sie damals mitfeierte?
PETER: Vergiss es. Kümmer dich um heute. Das hier wird keine Trauerfeier.
PAUL (reibt sich die Backe): Eine Handschrift hat sie.
PETER: Sie hat Schluss gemacht, freu dich doch.
PAUL: Ich Glückskind.
PETER: Was wollte sie eigentlich?
PAUL: Ihre Vase abholen.
PETER: Welche Vase?
PAUL: Die am Fenster.
PETER: Das scheußliche Ding wollte ich eh schon wegschmeißen. Und jetzt lassen wir die alten Geschichten. Mensch, mach nicht so'n Gesicht.
PAUL: Sie kriegt'n Kind von mir.
PETER: Von dir? Das glaubst du doch selber nicht. Will sie dich erpressen?
PAUL: Schön wär's. Heut besauf ich mich.
PETER: Wieso hast du für vier gedeckt?
PAUL: Lass dich überraschen. (Es klingelt)
PETER: Das ist er. (PAUL drückt den Türöffner. ZANDER und STASI-Mann kommen)
PETER (zu ZANDER): Wen bringen Sie denn da mit?
ZANDER: Ihr Bruder hat gesagt, ich soll ihn mitbringen.
PAUL (zu PETER): Ihr kennt euch doch schon.
STASI-MANN: Ja, wir kennen uns alle aus der guten alten Zeit.
PETER (zu PAUL): Du kennst ihn von früher?
PAUL: Das Schlimme ist, er kennt mich. Hör mal. (nimmt ihn etwas beiseite) Ich muss dir jetzt was sagen. Weil du ja seit einiger Zeit so auf Ehrlichkeit stehst.
STASI-MANN (hat hingehört): Das müssen Sie nicht. Nicht alles ausplaudern, mein Lieber. Das Pulver trocken halten! Jedenfalls waren wir seinerzeit Geschäftspartner. In etwas
konspirativer Form.
ZANDER: Ich kenn ihn auch. Er ist von der Stasi. Und er möchte alte Geschäftsbeziehung weiter pflegen, sagt er. Der Mann ist so ehrlich, das haut einen um.
PETER: Nein. Nein! So nicht.. Unmöglich! Ich will nichts mit ihm zu tun haben.
PAUL: Zähl bis tausend.
ZANDER: Besser die chinesische Entspannungsübung.
STASI-MANN: Nur mit der Ruhe. Wir werden schon eine gemeinsame Basis finden. Ihr Turm hat ja auch eine gefunden und genau genommen habe ich einen kleinen Teil dazu beigetragen.
ZANDER: Der Mann hat Beziehungen, sag ich Ihnen!
PETER (zu PAUL): Was hast du bloß gemacht!
PAUL: Nur das, was du gesagt hast.
ZANDER: Setzen wir uns doch zu unserm fröhlichen Beisammensein. Und zwitschern wir einen. (Sie setzen sich)
STASI-MANN: Ich darf Ihnen bescheiden versichern, ich bin wie ein Schüler, der die Schule wechseln musste. Erst sah ich keinen Vorteil darin, aber jetzt weiß ich: Richtig entwickeln kann
man seine Fähigkeiten nur im Kapitalismus. Also lassen Sie mich für Sie arbeiten mit allen meinen Talenten. Übrigens, Herr Zander, Sie können in unserm Kreise gern zugeben, dass Sie nur Strohmann
sind. Ihr Geld kommt aus russischen Quellen.
PETER: Heiliger Gott!
ZANDER: Was macht das schon? Geld stinkt nicht.
PAUL: Peter, jetzt musst du groß denken! Sehr groß!
ZANDER: Vollkommen richtig. Berlin wird ja auch immer größer. Da dürfen wir nicht kleinlich bleiben.
PAUL: Und dein Turm, Peter, passt genau dazu!
ZANDER: Und es wird nicht bei dem bleiben. Es kommt noch mehr! Das spür ich im Urin!
STASI-MANN: Zum Beispiel ein Großflughafen. Ich freu mich drauf.
ZANDER: Dito!
PETER: Na gut. Wenn es so ist. Wie sagte schon Momper? Berlin, nun freue dich!
ENDE