Schwank mit ernstem Hintergrund
Die Personen
WILLI Zech, Besitzer der „Villa“
GERT Jacobi, Nachbar und Freund, Besitzer der „Bruchbude“
ANNE, Gerts Frau
SCHMIDT, Bankier aus Düsseldorf
INGRID, Willis Nichte aus Schwerin
KLAUS, Ingrids Freund
BRIEFTRÄGER, ehemaliger Vopo
Bühnenbild
Es handelt sich um 2 Bühnenbilder.
Das Bühnenbild „innen“ (in Jacobis „Bruchbude“) zeigt das Wohnzimmer mit Tisch, Stühlen, Sofa und Kommode, ein Ofen. Außerdem hat es einen Schrank, dem die Türen und die Rückwand entfernt wurden.
Statt der Türen ist ein Rollo angebracht, das man bis auf den Boden ziehen kann. Die Mauerwand wird durch Auftrag von selbstgemischtem Beton und Bemalung als „Berliner Mauer“
benutzt.
Das Bühnenbild „außen“ zeigt die Fassaden beider Häuser: der „Villa“ von Willi (die Hausnummer 1 ist deutlich an der Tür zu sehen) und des ziemlich verfallenen Hauses von Jacobi (an der Tür
Hausnummer 2). Die Häuser haben einen Vorgarten zur Straße. Bei der „Bude“ steht ein Apfelbaum, das Fallrohr der Dachrinne führt in eine Regentonne, bei der „Villa“ stehen Rosenbüsche.
Im Haus von GERT Jacobi. GERT steht mit dem Rücken zum Publikum im Schrank vor der „Berliner Mauer“ und klopft Stücke heraus. WILLI Zech – in
einer Schürze – steht am Tisch, rührt Beton an.
WILLI: Mann, nicht so laut. Sind wir im Steinbruch?
GERT: Besorg mir nen Meißel mit Schalldämpfer
WILLI: Schluss, es reicht, machen wir Feierband. Wir trödeln ja doch nur rum. (GERT kommt aus dem Schrank, man sieht jetzt die bemalte „Berliner Mauer“,
eine Stelle ist heraus gebrochen, er geht zum Tisch, steckt die Stücke in Plastiktüten. Auf der Kommode liegt ein Koffer, er öffnet ihn und verstaut die Tüten) Anne soll endlich abhaun.
GERT (setzt sich auf einen Stuhl): Ich krieg Fracksausen, wenn ich dran denke.
WILLI: Quatsch nicht. Alles genau durchdacht, alles im Plan. Soll er man kommen, der Rheinländer.
(ANNE kommt ausgehfertig aus der Küche)
ANNE: Was für'n Rheinländer?
WILLI: Rheinländer? Na der ... der Tanz! Gert will wissen, wie der geht, weißt du's?
ANNE: Ich hab heut ne Busladung Japaner, und ihr denkt an Tanzen! Ich hab's eilig. Wo ist dem Ami seine Platte?
WILLI (gibt ein gerahmtes Mauerstück): Der Rahmen kostet aber extra.
ANNE: Das überlass man mir. (zu GERT) Deine Berliner Mauer wird immer schöner.
GERT: Und denn muss ich sie in Stücke hauen, verrückt.
ANNE: Ja, aber so kommt deine Kunst unter die Leute. Und denn sind die Brocken bares Geld. Und für nen Arbeitslosen verdienste nicht schlecht. (wickelt die
Platte ein, legt sie in eine Tasche) Das will der Ami seinem Daddy schenken, der war drüben stationiert. Dafür krieg ich nen Hunni. Willi, häng mir den Laden um. (WILLI hängt ihr den Koffer um den Hals, ANNE lässt den Deckel aufklappen, ein "Bauchladen", an der Rückwand sind „Berliner Mauersteine“ befestigt) Tätärätä!
Mein KaDeWe? Kuck mal, Gert. Edelsteine.
GERT: Brauchste Polizeischutz?
WILLI: Nu mach mal. Du hast es doch eilig.
ANNE (klappt den Kofferdeckel zu): Dass ihr mir anschließend aufräumt! Ich will nichts sehn, wenn ich zurückkomm. Kein Krümelchen, kein Stäubchen.
(nimmt die Plastiktüte in die Hand).
WILLI: Und du geh heut mal shoppen. Haste verdient. So ne Verkaufskanone wie dich gibt’s nicht noch mal.
ANNE: Was Wahreres haste noch nie gesagt. Na, dann wartet nicht auf mich! Adschö mit ö. (ab)
GERT: Die verjubelt jetzt alles
WILLI: Hauptsache, sie kommt uns nicht dazwischen.. (zieht das Rollo runter, GERT stellt den Stuhl an den Tisch, WILLI bindet sich die Schürze ab,
gemeinsam räumen sie die Sachen weg.) Schraubenzieher? (GERT holt zwei Schraubenzieher aus der Hosentasche, WILLI nimmt einen. Beide ab durch die
Haustür))
(GERT und WILLI draußen, an ihren Haustüren. WILLI beginnt an seiner Hausnummer zu schrauben, GERT kuckt nach oben zum Giebel seines Hauses, WILLI bemerkt
es.)
WILLI: Ist was?
GERT: In dem Loch da oben, da ist grad ein Spatz reingeflogen. Unsre Mieter seit 30 Jahren.
WILLI: Das Schild!
GERT: Und zahlen keine Miete.
WILLI: Das Schild!
GERT: Hetz mich nicht! (beginnt, das Nummernschild abzuschrauben) Ich bin Künstler.
WILLI: Pa!
GERT (hört auf zu arbeiten): Nee, wenn du so kommst, dann dreh dein krummes Ding alleine!
WILLI: Was hab ich denn gesagt? Bloß Pa.
GERT: Ja, aber mit nem Ton. (setzt sich) Muss mich mal kurz hinsetzen..
WILLI: Doch nicht jetzt.
GERT: Mir ist nicht gut. ... Bau mich auf!
WILLI: Bau auf! Bau auf! Wie denn?
GERT: Na, wie Anne. Wie ich Bauchschmerzen hatte, wegen den getürkten Mauersteinen, da hat sie gesagt, das ist alles in Ordnung. Die Leute wolln ja nur die Steine, weil da Kunst drauf ist. Auf
unsrer Seite war keine Kunst drauf, drum will keiner was davon haben. Siehste. Na, und ich mach ja Kunst drauf! Kapiert? Also.. Verklicker mir, was wir hier tun.
WILLI: Menschenskind, jetzt! Wo der Kerl jeden Moment aufkreuzt.
GERT: Ist mir wurscht. Ich bin Künstler, ich muss wissen, was ich tu, sonst wird's Murks.
WILLI: Künstler .. Na dann pass mal auf. Das hier ist auch Kunst, ja, und was für eine. Sogar höchste Kunst, Lebenskunst nämlich! Das ganze Leben ist ein Kunstwerk, verstehste? Und jetzt sind wir
extrem kreativ! Und warum? Weil nämlich Künstler in der Verzweiflung am besten sind. Kapiert?
GERT: Ja, wenn das so ist ... (steht auf, schraubt sein Hausnummernschild ab) Für die Kunst tu ich alles. (Sie
tauschen die Nummernschilder aus und schrauben die vertauschten Schilder an ihre Haustüren.)
WILLI (betrachtet Haus Nr. 1 – jetzt GERTs Haus, die „Bruchbude“): Auf so‘n Erbe kann man ja nur verzichten.
GERT: Es ist ein ehrliches altes Haus, davon verstehst du nichts.
WILLI: Jaja, ehrlich währt am längsten. Na, dann steht ja dein Ding ewig. (zeigt auf sein Haus, jetzt mit der Nr. 2) Das hab ich gekauft! Sogar
verdammt ehrlich gekauft! Vom Staat. Jawohl! Richtig, den gibt’s nicht mehr, nicht meine Schuld. Und der hat’s für nichts geerbt. Von seinem Onkel. Vor dreißig Jahren ist der rüber in den Westen,
rin in Speck und Sahne. Und wir? Was hatten wir? Was? ... Na, wenn der jetzt sein Erbe sieht, kriegt er nen Herzinfarkt.
GERT: Erst muss er mal drauf reinfalln.
WILLI: Keine Bange. Die Rheinländer sind ja so was von fremd hier, das glaubste nicht. Im Februar standen welche Unter den Linden am Straßenrand und bibberten, ich sag, ihr wartet wohl auf
bessres Wetter? Nee, sagte einer: De Zoch kütt. Ich hab mir's übersetzen lassen. Der Zug kommt, heißt das. Mensch, die dachten, sie wär'n im Bahnhof! Aber geschämt hat er sich doch. Er hatte ne
Pappnase auf. (Man hört ein Auto bremsen) Da isser schon. Hau ab!
(GERT versteckt sich hinter einen Busch. Man hört eine Autotür schlagen. Eine junge Frau mit Koffer: INGRID)
WILLI: Ein Taxi .. Nee, das ist ja Ingrid! Wo kommst du denn her?
INGRID: Na, woher wohl! Aus Schwerin! Du selbst hast mich doch eingeladen - wenn ich mal nach Berlin will, hast du gesagt, kann ich bei dir wohnen. Und jetzt bin
ich eben hier. Ich such einen Arbeitsplatz. (GERT kommt aus seinem Versteck.)
WILL: Na, dann stell dich mal hinten an.
GERT: Ja, gleich hinter mir.
INGRID: Tach, Herr Jacobi.
GERT: Ich bin jetzt Onkel Willi!
WILLI: Quatsch! Onkel Gert biste! Und ich der Herr Zech. (zu INGRID) So haste uns anzuquatschen.
INGRID: Ich versteh nicht.
WILLI: Ingrid, es geht um Leben und Tod, ich erwarte jetzt ein Maximum an schneller Auffassungsgabe, Also pass auf: im Moment bin ich nicht mehr
Besitzer von meinem Haus, sondern Gert ist es, dafür ist sein Haus meins und darum ist er jetzt dein Onkel Gert. Klar?
INGRID (sieht sich um): Die Hausnummern sind ja vertauscht!
GERT: Nicht so laut!
WILLI: Genau. Nämlich, der Rheinländer soll denken, er hätte Gerts Bude .. Verzeihung ... das Haus geerbt. Und weil es so aussieht, wie es aussieht, verzichtet er drauf. Und ich bin gerettet.
Kapiert? (Autobremsen)
GERT (sieht in Richtung Geräusch): Mensch, ist das’n Schlitten!
WILLI: Das ist er. Verdrückt euch! Los, los! (Sie gehen rasch in die „Villa“ und lassen den Koffer stehen) Der Koffer!
(Eine Autotür schlägt zu. SCHMIDT kommt,
elegant, in dunklem Tuch, bleibt stehen, guckt ungläubig, zieht einen Zettel aus der Tasche, blickt darauf, blickt wieder auf das Haus Nr. 1, schüttelt den Kopf)
WILLI: Der Herr ist fremd?
SCHMIDT: Aus dem Westen.
WILLI: Also sehr fremd.
SCHMIDT: Die Straße hat nur zwei Häuser?
WILLI: Jawohl. Zur Zufriedenheit des Briefträgers.
SCHMIDT: Und das da.. (zeigt auf die „Bruchbude“) Das ist Haus Nr. 1
WILLI: Jawohl, mein Herr! Wie das Hausschild zeigt. Ganz zur Zufriedenheit des Eigentümers.
SCHMIDT: Dessen Name ist Zech? Wilhelm Zech?
WILLI: Jawohl, mein Herr. Zu meiner Zufriedenheit.
SCHMIDT: Sie..
WILLI: Jawohl! Und Sie sind Herr Schmidt aus Düsseldorf. Wenn ich jetzt sage „zu meiner Zufriedenheit“, ist das gelogen, also lass ich’s.
SCHMIDT: Unglaublich ... Was haben Sie Mensch bloß aus meinem Erbe gemacht.
WILLI: Ihr Erbe?
SCHMIDT: So steht’s im Vereinigungsvertrag.
WILLI: Den hab ich nicht unterschrieben.
(Die Tür des Nachbarhauses öffnet sich, GERT späht zum Koffer, schleicht zu diesem. SCHMIDT sieht nach der Villa, GERT versteckt sich rasch hinter einen
Busch)
SCHMIDT: Dagegen das da! Erklärn Sie mal, wie ist das möglich.. Das ist ja eine Villa! (entdeckt GERT) Da ist jemand. Bestimmt Ihr Nachbar. Eigentlich
ist es ja meiner. (ruft) Hallo Herr Nachbar! Auf ein Wort! (GERT kommt hinter dem Busch hervor) Gestatten, Schmidt, Bankdirektor. Meinen Glückwunsch!
GERT (zu WILLI): Hab ich Geburtstag?
WILLI (leise): Hau ab!
SCHMIDT: Gratuliere zu Ihrer Villa! Aber das da von Ihrem Nachbarn .. Dieser Schrotthaufen. (GERT zuckt zusammen) Der gehört jetzt mir! Nicht zu
glauben.. Aber ich weiß schon, was ich tu. Das wird ab gerissen.
GERT: Unerhört!
WILLI: Der Koffer!
GERT: Genau, der Koffer. Such ich schon den ganzen Tag. (mit Koffer ab ins Haus)
SCHMIDT: Auf baldiges Wiedersehn, Herr Nachbar! (zu WILLI) Und jetzt will ich sehen, wie's drinnen aussieht, ein bisschen flott, ich habe noch einen
Termin..
WILLI (öffnet die Tür): Belieben einzutreten.
SCHMIDT: Lassen Sie das. Reden Sie mit mir, wie Sie gewöhnlich reden.
WILLI: Nee, da halt ich doch lieber die Schnauze! (beide ab ins Haus)
(GERT kommt eilig aus der „Villa“, hinter ihm INGRID)
GERT: Wenn der kommt, da wird der Willi aber sauer!
INGRID: Woher sollte ich denn wissen, was hier vorgeht.
GERT: Das ist es ja! Kein Mensch sollte was wissen! (Autogeräusch)
INGRID: Da ist er schon! (Schlagen einer Autotür. KLAUS kommt)
KLAUS: Tach allseits. Küsschen! (küsst Ingrid)
GERT: Gestatten ....
KLAUS: Ja, gleich, ich küss Sie auch noch.
GERRT: Ich bin ihr Onkel. Ein Händedruck langt. (Sie drücken sich die Hände) Quetschen hab ich nicht gesagt.
KLAUS: Pardon. (sieht sich um) Hier wohnst du jetzt also. Tolle Kiste! (zu INGRID) Hast du nicht gesagt, dein Onkel hat Hausnummer 1?
INGRID: Na und, ist das so wichtig?
KLAUS: Manchmal schon. Was stehn wir noch rum? Gehen wir rein, Herr Zech.
GERT: Geht nicht. Der ist drüben.
INGRID: Ach Gott... Hab ich ihn so genannt? Da muss ich mich versprochen haben. Mein Onkel heißt Jacobi. Zech heißt sein Nachbar
KLAUS: Aber meinen Namen weißt du noch? Klaus König
GERT: Mein sechster Sinn sagt mir, Sie sind in Ordnung. (KLAUS zuckt zusammen) Hab ich was Falsches gesagt?
INGRID: O Gott! Onkel, halt ihn fest! (sie läuft davon, KLAUS rennt hinterher, Ingrid verschwindet ins Haus. Er bekommt die Tür nicht auf).
GERT: Warum rennt sie vor Ihnen davon?
KLAUS: Weil ich ihr nachrenn. Der verdammte Sex. (trommelt gegen die Tür) Ingrid! (Die Hausnummer fällt
runter) Ach du grüne Neune. (hebt das Schild auf) Das haben wir gleich wieder. (stutzt) Komisch. Da!
Sehn Sie mal! Das passt gar nicht hierher. Das ist ja zu klein ... (mustert GERT) Nanu ... Sie sind ja so blass!
GERT: Mein Blutdruck ...
KLAUS (ruft): Ingrid, ein Glas Wasser! (mit einem Blick zum Nachbarhaus) Da drüben, sehn Sie mal, das
Schild da .. Das hätte die richtige Größe.
GERT: Nu ist er in den Schuhn.
KLAUS: Wer?
GERT: Der Blutdruck.
KLAUS: Komisch. Man könnte denken, die Hausnummern sind vertauscht.
GERT: Gleich fall ich um.
KLAUS (ruft): Ingrid, kein Wasser, den Arzt! (zu GERT) Beruhigen Sie sich.. Ich werd doch den Onkel meiner Freundin nicht verpfeifen. Aber wieso ...
GERT: Entschuldigen Sie, ich muss arbeiten. (holt den Schraubenzieher aus der Tasche, schraubt das Schild an)
KLAUS: Wissen Sie, ich bin Makler. Immobilienmakler. In West-Berlin. Da erlebt man ja einiges, aber so was... Das ist doch ein Witz? Hausnummern vertauschen .. (GERT ist fertig, steckt den Schraubenzieher ein) Oder was soll das? Verraten Sie mir das? (GERT wendet sich zum
Gehen) Sie müssen nicht davonlaufen, ich verpetz Sie schon nicht!
GERT: Entschuldigung, ich hab noch was zu tun. (läuft hinüber zu seinem Haus, stolpert)
KLAUS (klopft gegen die Tür): Ingrid, es ist vorbei, ich bin auch ganz brav! (Die Tür geht auf. Er geht
hinein, GERT appelt sich auf, läuft zum Haus)
(Blackout)
(In Jacobis Haus. SCHMIDT sitzt auf einem Stuhl, Aktenkoffer auf dem Tisch, WILLI hantiert am Ofen)
SCHMIDT: Immerhin. Einigermaßen gepflegter Fußboden. Das überrascht mich, aber sonst ... DDR-Look, was? Was machen Sie da eigentlich?
WILLI: Einheizen.
SCHMIDT: Jetzt? Im Sommer?
WILLI: Ich muss vorheizen, ist erst mal der Frost da, wird’s hier nie warm.
SCHMIDT: Sie hätten längst modernisieren sollen. (Der Ofen fängt an zu qualmen) Es raucht.
WILLI: Ein gutes Zeichen. So fängt er immer an. (Es qualmt stärker) Gleich brennt‘s.
SCHMIDT: Scheint mir nicht so. (hustet, steht auf und entfernt sich vom Qualm) Man erstickt ja!
WILLI: Wenn Sie so freundlich sind, das Fenster aufzumachen. Gleich hinter Ihnen ...
SCHMIDT (zieht am Fenster): Geht nicht!
WILLI: Fester!
SCHMIDT(zieht, hält plötzlich das Fenster in den Händen): Allmächtiger!
WILLI: Gut. Nu zieht’s.
SCHMIDT: Das Fenster ist los!
WILLI: Was ist los?
SCHMIDT: Das Fenster! Es ist rausgefallen!
WILLI: Brauchen Sie Hilfe?
SCHMIDT: Ja, zum Kuckuck.
WILLI: Ich kann Ihnen nicht helfen, sonst geht der Ofen aus. Schrein Sie Hilfe! Hier gibt’s Nachbarschaftshilfe.
SCHMID: Hilfe! Hilfe!...Es kommt keiner.
WILLI: Noch mal, aber lauter!
SCHMIDT: Hilfe! Hilfe! … Ich halt’s nicht länger!
WILLI (geht an SCHMIDT vorbei zur Tür, reißt sie auf, schreit): Hilfe!
GERT (stürzt herein): Was liegt an?
WILLI: Was kommste so spät?
GERT: Bin gestolpert.
WILLI: Hilf ihm mal.
GERT: Sofort! (drückt das Fenster an) Sehn Sie.. So macht man das.
SCHMID: Schweinerei!
WILLI: Komische Art, danke zu sagen.
SCHMIDT: Jetzt werd ich Ihnen mal was sagen. Das hier, die ganze Bruchbude hier, das wird Folgen haben. Und reden Sie sich nicht raus, Sie hätten das Haus nicht instand halten können, Das
Nachbarhaus.. (bricht mit dem Fuß in den Fußboden) Hilfe!
WILLI: Schon wieder?
SCHMIDT: Der Fußboden ... Ich bin eingebrochen.
GERT: Sie sind ja ein Einbrecher! Na, ich seh da mal drüber weg.. (hilft SCHMIDT heraus, der beginnt das Loch zu untersuchen)
WILLI (sieht durchs Fenster): Verdammt ... Gert, wer ist das da? Da drüben? Was sucht der Kerl auf meinem Grundstück?
GERT (blickt durchs Fenster): Aber Willi! Du brauchst ne Brille, das ist doch mein Grundstück! Und der junge Mann da, das ist der Freund von meiner
Nichte!
WILLI: Seit wann hast du ne Nichte?
GERT: Ist die Ingrid! Kennst du doch!
WILLI: Die Ingrid. Na klar. Und was sucht der Kerl da drüben?
GERT: Ich glaub, die Nichte.
WILLI: Hat der auch ne Nichte?
GERT: Mensch, Willi!
WILLI: Weiß ich, wo mir der Kopf steht? Und an allem ist dieser Erbschleicher schuld! Übrigens, Gert, du bist Zeuge, er hat das Fenster und den Fußboden kaputtgemacht! Das muss er mir ersetzen!
(SCHMIDT lacht auf) Was gibt’s da zu lachen?
SCHMIDT: Sie halten mich wohl für blöd, was?
GERT: Wie könn‘n Sie bloß so was denken!
WILLI: Ich kann‘s.
SCHMIDT: Der Ofen qualmt ... Das Fenster fällt raus ... Das Loch im Boden ... Das ist doch präpariert! Sehr hübsch gedacht, wirklich. Bloß funktioniert das nicht. Sie wollen mir mein Erbe madig
machen. Nein, Herrschaften! Was mir gehört, das gehört mir. Und was mir gehört, das nehme ich auch. (geht zum Tisch, öffnet den Aktenkoffer) Ich habe
die Dokumente bei mir, bitte, Sie können sie einsehen. (holt Papiere heraus) Der Erbschein! (schlägt auf das
Papier) Das Vereinigungsgesetz! (schlägt auf das Papier) Ich hab den Paragraphen angekreuzt: Rückübertragung von Osteigentum.
WILLI: Papier, Papier! Sie Witzbold! Hier (schlägt vor die Brust) ist Willi Zech und hier im Kopf (schlägt vor die Stirn) das Gesetz von Willi
Zech!
GERT: Willi, nicht doch! Beruhig dich!
WILLI: Schnauze! (zu SCHMIDT) Jetzt hörn Sie mal zu! Sie Paragraphenhengst! Was wissen die, die so was verzapft haben. Politiker, Juristen ... Sehn Sie
mich an! Hier steh ich und eenn Sie mir das Grundstück wegnehmen, denn hacken Sie mir die Beine ab, und wenn Sie mir das Haus wegnehmen, den Kopp. Kapiert?
SCHMIDT: Wieder so eine typische Berliner Übertreibung.
WILLI: Ich bin für das Haus durch die Hölle gegangen Ihnen da drüben hat man ja allesnachgeschmissen! Für ne Büchse Fensterlack hab ich mir beim Genossen Bauleiter den Arsch aufgerissen! Für
meine Dachziegel hab ich an die dreißig Baukombinate abklappern müssen. Und fragen Sie nicht, was mich ein Sack Zement gekostet hat! Dafür brauchte ich mehr kriminelle Energie als Sie beim
Verhökern von Aktien!
SCHMIDT: Nanana..
WILLI: Ich sag Ihnen was. Könnt mein Haus reden und würd jemand es fragen: Bei wem willste sein, dann sagt es garantiert: Beim Zech, beim Zech, beim Willi Zech. Denn der hat sich für mich
abgerackert, sein Leben hat er für mich gegeben. Jawohl, sein Leben! Das alles steckt hier drin, wenn Sie gestatten.
SCHMIDT (zu GERT): Von welchem Haus redet der?
GERT: Na, von seinem natürlich.
SCHMIDT (zu WILLI): Hören Sie mal, Sie Komiker. Könnte das Haus wirklich sprechen, müsste es ja nuscheln. Das hat ja keine Zähne mehr. Eine Ruine ist
das. Der reinste Schrott.
GERT: Sie! Nehmen Sie das zurück!
SCHMIDT: Ist doch die Wahrheit.
GERT: Reich mir mal den Stuhl, Willi.
SCHMIDT: Was regen Sie sich auf, Herr Nachbar, das stimmt doch!
WILLI: Mensch, Gert, beherrsch dich. Mach dich nicht unglücklich! (schiebt ihm einen Stuhl zu)
GERT (setzt sich): Zu seinem Schutz setz ich mich. Sonst hau ich ihm den Stuhl über die Birne! So was heißt nämlich bei uns Solidarität, Herr
Rheinländer.
SCHMIDT: Na schön, na schön ... Beruhigen wir uns. Meine Herren, ich bin ein friedlicher Mensch.
GERT: Das bin ich sogar am liebsten.
WILLI: Naja, ich ja auch. Und darum ein Vorschlag zur Güte: Ich kauf Ihnen Ihr sogenanntes Erbe ab. Für 20.000. Wohlgemerkt: Mein eigenes Grundstück!
SCHMIDT: Bedauere, nein. Ich bin nicht interessiert. Ich seh mir noch schnell den Keller an, dann befreie ich Sie von meiner lästigen Gegenwart, alles weitere regelt mein Rechtsanwalt. (witzig) Sie haben nicht zufällig ein paar Mausefallen ausgelegt? So an die hundert? (geht ab durch die
Kellertür)
WILLI: Ne Raubtierfalle, dass uns die nicht eingefallen ist. (sieht nach draußen) Du musst den Apfelbaum abstützen. Die Äste werden
brechen!
GERT: Weiß ich doch. Sagste ja jedes Jahr.
WILLI: Und du sagst immer ja und tust es dann doch nicht.
GERT: Diesmal tu ich’s.
WILLI: Das erleb ich nicht mehr… Wird mir fehlen, der Baum. Alles wird mir fehlen... Und für so was waren wir mal Brüder und Schwestern! Aber das sag ich dir! Bevor er's kriegt,
schmeiß ich ne Bombe rein!
GERT: Haste noch alle? Denn kracht ja auch meins zusammen.
WILLI: Dann lass dir was einfalln, bevor was einfällt.
GERT: Naja..
WILLI: Was, naja?
GERT: Na der Hase.
WILLI: Der Hase? Na klar, der Hase! Den hätt ich fast vergessen. Auf zum letzten Gefecht!
GERT: Wenn’s bloß kein Angsthase ist! (beide ab)
SCHMIDT (seine Stimme): Muffig, typisch. (erscheint in der Kellertür) Lüften ist hier wohl ein Fremdwort.
(sieht sich um) Ausgerissen.. Na warte! (sieht das Rollo) Nanu? (lässt das Rollo hochschnellen, tritt zurück, verblüfft) Donnerwetter! Ein Gemälde..! .. Kommt mir bekannt vor ... Muss von dem Künstler schon mal was gesehen
haben. (Geräusch an der Tür, rasch zieht er das Rollo herunter. Die Tür geht auf, GERT)
GERT: Sind wir allein? Ich muss Ihnen was sagen.
SCHMIDT: Intressant.
GERT: Das Grundstück hier, das hat ...
SCHMID: Abr ja! Weiß ich doch längst! Nicht die Bruchbude, das Grundstück ist das Wertvolle! Hab mich bestens informiert ... Sie, da fällt mir was ein. Setzen Sie sich doch.
GERT (setzt sich): Aber eigentlich ..
SCHMIDT: Schon gut, ich mach’s kurz. So, wie ich Ihren Nachbarn einschätze, geht der zum Gericht, obwohl er überhaupt keine Aussicht auf Erfolg hat. Durch so was verliere ich bloß Zeit. Also, ich
mach Ihnen einen Vorschlag: Überzeugen Sie ihn, dass er seinen Anspruch aufgibt, und ich zeige mich erkenntlich.
GERT: Ich kenn Sie doch schon.
SCHMIDT: Ich meine doch was ganz anderes. Wie heißt das bei Ihnen? Hören Sie, reden Sie ihm aus, dass er vor Gericht geht, dann kriegen Sie von mir Pinkepinke, Moos, Knete, Kohle, Mäuse...
(Unbemerkt geht die Tür einen Spalt auf)
GERT: Ach das.. Mäuse!
SCHMIDT: Ja, eine Menge!
WILLI (kommt herein. Hinter dem Rücken hält er einen toten Hasen versteckt): Was? Mäuse? Hier? In meinem Haus? Totgeschlagen! Alle! Die sind nämlich
der Anfang vom Ende. Völker und Kulturen, ja, Gert, sogar ganze Freundschaften sind darüber kaputt gegangen.
SCHMIDT: Nun reden Sie doch nicht solchen Unsinn!
WILLI: Sie haben es doch selbst gesagt. Eine Menge Mäuse. Da wird ja die dickste Katze scharf.
GERT: Aber du hast doch gar keine Katze.
WILLI: Wer redet von Katzen
GERT: Ich nicht.
WILLI: Eben! Um Mäuse geht’s! Oder was sonst?
SCHMIDT: Herr Zech, Sie haben nicht richtig gehört. Ich sagte Leute, jawohl, eine Menge Leute. So viele passen in eine U-Bahn, wir sprachen nämlich vom Berliner Verkehrswesen.
GERT: Ja, und da gibt’s Mäuse, das stimmt! Hab selber welche gesehn. Im Bahnhof Friedrichstraße, auf dem Gleis, da flitzten sie rum...
WILLI: Mäuse! Scheiß drauf! Kiekt euch lieber das an! (schleudert den Hasen auf den Tisch)
SCHMIDT (springt auf): Allmächtiger! Ein toter Hase!
GERT: Ja, mausetot!
WILLI: Der dritte!
GERT: Ja, und die Tauben! Fünfe warn’s. Auch mausetot.
WILLI: Und zwei Füchse! Und alle auf meinem Grundstück.
GERT: Mausetot.
SCHMIDT: Was? Hier? Auf diesem... auf meinem Grundstück?
WILLI: Der reinste Tierfriedhof.
GERT: Genau das wollt ich ihm sagen, aber er hat mich nicht ausreden lassen.
SCHMIDT: Wie? Was? Hörn Sie mal ....
GERT: Woran ist der hier wohl krepiert?
WILLI: Mal sehn.(schaut sich den Hasen an) Nee, nichts zu sehn. Der vom letzten Mal hatte Schaum vorm Maul.
SCHMIDT: Du großer Gott!
GERT: Wie bei dem Schaf!
WILLI: Bei welchem Schaf?
GERT: Na das! So schön weiß war‘s, dabei war’s bloß blass. Haste wohl übersehen. War nur ein kleines Schaf.
SCHMIDT: Hören Sie auf, hören Sie auf! Begreifen Sie denn nicht? Mensch! Wachen Sie auf! Der Boden hier ist kontaminiert! Herr im Himmel! Verseucht heißt das! Vergiftet! Hier wurden
Chemikalien abgelagert.. Bestimmt von den Russen, was? Jedenfalls, das Grundstück können Sie vergessen. Das heißt ... (fällt auf den Stuhl) Ich
kann's vergessen.
(WILLI zeigt GERT den aufgerichteten
Daumen)
(Blackout)
(Draußen. Briefträger kommt langsam, sein Fahrrad schiebend, stellt es ab, kramt Briefe aus der Posttasche)
BRIEFTRÄGER: Mann, was ne Hetze. Früher, da war noch Zeit, aber jetzt ist Wendezeit, Genosse! (schluchzt auf) Genosse! Ich hab Genosse zu mir gesagt!
Ich könnt mich küssen. (beginnt die Post zu prüfen) Überall Wende. Auch bei der Post. Alles Wurfpost. (lässt
einen Brief fallen) Und wennste am Abend nach Haus kommst, ist keiner da. Früher war da ne Frau. Naja. Hat sich abgewendet. (lässt einen Brief
fallen) Und wennste zur Arbeit gehst, weißte nich, ob dein Arbeitsplatz noch da ist. Vielleicht hat ihn wer entwendet. (nimmt einen neuen Brief, sieht
ihn an) So’n dickes Ding leg ich mal lieber weg. (legt ihn auf den Boden) Ein Terrorist könnt ja denken, schick doch die Bombe per Postwurfsendung,
der blöde Briefträger macht denn die Drecksarbeit. Nee, nicht mit mir. (nimmt den nächsten Brief, lässt ihn fallen, prüft den nächsten) Postwerfer wär
die richtige Berufsbezeichnung. (lässt den Brief fallen, sieht auf den Boden) Nanu. Was liegt denn da. Da hat wer seine Post verlorn. Muss ich mir mal
genauer ansehn. (setzt sich, liest die Post, von Zeit zu Zeit kichert er)
(Aus der „Villa“ kommen INGRID und KLAUS)
INGRID: Machen wir einen Spaziergang? Ich war lange nicht mehr hier.
KLAUS: Heut ist Donnerstag, da gibt’s ein neues Filmprogramm, und dann..
INGRID: Mir an die Wäsche.
KLAUS: Ich doch nicht. Ja die andern! Dauernd reden die Leute vom Sex. Was hast du eigentlich gegen Sex?
INGRID: Sex und hopp, nicht mit mir.
KLAUS: So was .. Ich bin schon wieder .. Komm! Ins Auto. Ich zeig dir meine Strafzettelsammlung.
INGRID: Fass mich nicht an! (sieht den Briefträger) Ist der vom Rad gefallen?... Die Hausnummern! Wir müssen ihn ablenken! (zu BRIEFTRÄGER) Nanu, wer sitzt denn da.
KLAUS: Ein Briefleser.
BRIEFTRÄGER: Wie meinen Sie das?
KLAUS: Briefträger natürlich.
BRIEFTRÄGER: Oberbriefträger. Das Ober hab ich dazu gedichtet.
INGRID: Und auch noch Dichter!
BRIEFTRÄGER: Und pfeifen kann ich auch. Der erste Pfiff ist gratis. Soll ich?
KLAUS: Nein, danke. Ich vermute, Sie ordnen Ihre Ware, bevor Sie Ihre Kunden besuchen. Können wir Ihnen helfen?
BRIEFTRÄGER: Bin ja schon fertig. Der Haufen da ist für den Zech, Willi. (steckt die Briefe in die Jackentasche, steht auf) Wo ist dem sein Haus?
Gestern war‘s noch da. (sieht sich die Häuser an) Ja, da steht's noch. Merkwürdig. Wer weiß, was sich hier schon wieder gewendet hat. Vielleicht ist
der Eingang jetzt hinten?
INGRID: Nein, er ist immer noch vorn. Wissen Sie was? Kommen Sie doch rein. Wir feiern nämlich gerade.
BRIEFTRÄGER: Was Historisches? Bloß nicht, weil sich dann wieder was wendet, ich steig da nicht mehr durch.
KLAUS: Nein, bloß unser Wiedersehen mit Herrn Zech. (Sie gehen Richtung „Villa“)
INGRID: Im Moment ist er aber nicht da.
BRIEFTRÄGER: Schon wieder ne Wende.
KLAUS: Wir werden ihn aber gleich sehn.
BRIEFTRÄGER: Die nächste Wende. (alle ab ins Haus, blackout)
(In Jacobis Haus. SCHMIDT gebrochen im Stuhl, GERT und WILLI zufrieden auf ihn blickend)
SCHMIDT: Ich bin am Ende!
GERT: Das sagt er jetzt zum zehnten Mal.
WILLI: Hör’s immer wieder gern.
SCHMIDT: Allen hab ich's verkündet. Und wie sie mich beneidet haben .. Ein Grundstück in Berlin. (zeigt zum Fenster) Aber das da! Da drüben! Das da!
Das Haus da!Eine Venus von einer Immobilie… Und keine toten Hasen, vermut ich.
WILLI: Nicht mal ne tote Maus.
SCHMIDT: Das ist ungerecht, so ungerecht. (springt auf, geht zum Fenster, sieht hinaus, greift sich plötzlich ans Herz)
WILLI (leise): Und jetzt der Herzinfarkt. (SCHMIDT wendet sich um)
SCHMIDT: Ja! Meine Herren! Das ist es! Das ist die Lösung! Gott, wie genial..
GERT: Er hat’s rausgekriegt!
SCHMIDT: Die ganze Zeit war es schon in mir, tief hier drinnen! Ich hab's von Anfang an gespürt, eine magische Anziehung, ein Wechselruf zwischen uns beiden.. Also, meine Herren, hören Sie zu. Ab sofort stellt sich die Sachlage folgendermaßen dar. Denn das drüben .. Das ist mein Glück im Unglück. (blickt träumerisch durchs Fenster)
WILLI: Was hat er?
GERT: Das zweite Gesicht.
WILLI: Schon sein erstes gefiel mir nicht.
SCHMIDT: Das nennt man Liebe auf den ersten Blick. Liebe! Ja, meine Herren, Liebe! Liebe für eine Immobilie, sogar leidenschaftliche Liebe! Kennen Sie natürlich nicht. Woher auch. Eigentum war ja
ein Verbrechen bei Ihnen, nicht wahr. Aber wir, wir haben ein Herz für Eigentum! Und ich, ich bin, das kann ich wohl sagen, ich bin ein großer Liebhaber von Immobilien. Und diese da drüben, da
möchte man gleich ... sozusagen ... Gott, ist die sexy.
WILLI: He! Ehemann hört mit.
SCHMIDT: Ich weiß, ich weiß. (zu GERT) Wie heißen Sie?
GERT: Ich? Jacobi.
SCHMIDT: Herr Jacobi.. Verkaufen Sie mir Ihr Haus!
GERT: Ha?
WILLI: Meine Villa?
SCHMIDT (zu WILLI): Lassen Sie Ihre Witze. Es betrifft auch Sie. Hören Sie gut zu, was ich jetzt sage. Sie beide! Ich will Ihnen ein win-win-Geschäft
vorschlagen, das heißt, wir gewinnen alle dabei. Sie, Herr Zech, können das Haus behalten, ich lass es Ihnen, wenn.. wenn ich die Villa von Herrn Jacobi bekomme! Verstehen Sie? Und Sie, Herr
Jacobi, ich zahl Ihnen dafür genug Geld, um sich ein anderes Haus zu kaufen. Herr Zech wird Ihnen dafür dankbar sein. Sie retten ihn aus einer schwierigen Lage.
(GERT prustet los)
SCHMIDT (zu WILLI): Was hat er?
WILLI: Na, hören Sie mal. So aus heiterem Himmel .. sein schönes Haus verkaufen! (zu GERT, der immer noch unterdrückt lacht) Ruhe! (zu SCHMIDT) UND Ich behalte meins?
SCHMIDT: Für Ihre 20.000 natürlich, die Sie mir anboten. Ganz kostenlos ist nicht drin. Entscheiden Sie rasch, packen Sie das Glück am Schopfe. Herr Jacobi, ich zahle gut, zahle sogar sehr gut.
So eine Gelegenheit kommt nicht wieder.
WILLI: Na gut. Einverstanden.
SCHMIDT: Herr Jacobi hat noch nicht zugestimmt.
WILLI: Das tut er. (zu GERT) Sag ja.
GERT: Ich? Haste noch alle?
WILLI: Kapierste denn nicht? (zu SCHMIDT) Bis es bei ihm klick macht, dauert es manchmal. Ich werd es ihm mal genauer erklärn. (zu GERT) Denk mal nach. Es ist.. wie beim Lotto. Die Nummern.. die
Zahlen ... am Haus, an den Häusern ... die Zahlen, die .. Weißt du noch diese Geschichte? Da hatte einer aus Hausnummern seine Lottozahlen gemacht. Hatte der ein Glück. Es waren sechs Richtige!
Mit Zusatzahl! Aber dann hatte der doch glatt vergessen, den Lottoschein abzugeben!
GERT: Wer war der Idiot?
WILLI: Du, wenn du jetzt nicht aufpasst.
(GERT sitzt plötzlich steif, hält sich die Hand vorm Mund)
SCHMIDT: Was hat er denn jetzt?
WILLI: Einen Wunderstarrkrampf, den kriegt er immer, wenn er sich wundert.
SCHMIDT: Gott, ist der Mann empfindlich.
WILLI: Lassen Sie uns mal für nen Moment allein. Ich weiß, was zu tun ist. Ich hab das schon ein paar Mal erlebt mit ihm.
SCHMIDT: Gut, sehr gut. Inzwischen geh ich zum Wagen und hol was zum Feiern.. Denn das werden wir doch, nicht wahr, Herr Zech? Und dann zeig ich Ihnen, wie man im Rheinland feiert Na, (ab)
(GERT platzt in Gelächter aus.)
WILLI (hält ihm den Mund zu): Biste still! (lässt los)
GERT: Deine Villa soll ich ihm verkaufen! Deine! (lacht)
WILLI: Ruhe! Nicht meine, deine.
GERT: Nee, du! Entschuldige mal, Willi, aber da geht bei dir was hübsch durcheinander. Dein Haus meint er, nicht meins. Da wär er ja blöd.
WILLI: Das ist er, bloß weiß er's noch nicht. Weil: Meine Villa hat jetzt nämlich deine Hausnummer, deine Hausnummer, verstehste? Und die steht nachher im Kaufvertrag! Und so kauft er in
Wirklichkeit deine Bu.. Dein Haus mein ich. Und genau so machen wir das
GERT: Biste wahnsinnig? Das ist Betrug.
WILLI: Selbstbetrug, reiner Selbstbetrug. Ja, Liebe macht blind, dafür können wir nischt.
GERT: Und Anne? An die denkst wohl gar nicht, was .. Nee, die hat hat was gegen, glaub ich.
WILLI: Auch nicht für‘n Haufen Geld? Für Geld tut sie alles!
GERT: Red anständig von meiner Frau! Und wo sollen wir wohnen, he?
WILLI: Hat er doch gesagt. Kauft euch was Neues! Zum Beispiel bei mir. Ich geb euch den Dachboden ganz billig, baut euch ne Dachwohnung, dann habt ihr immer noch'n Haufen Geld übrige.. Ich hör
die Anne schon schrein: Mach es, Junge, mach es..
GERT: Du hörst sie?
WILLI: Es ist die Stimme der Vernunft!
GERT: Zwei Stimmen hörste?
WILLI: Verarsch mich nicht!
GERT: Schrei nicht, mir reicht's, wenn sie schreit. Und Betrug ist es doch!
WILLI: Nee, mein Lieber. Lebenskunst ist das, reine Lebenskunst, jawohl. Die da im Westen machen das schon lange, drum geht’s denen so gut. Aber, natürlich, wir, wir sind ja blöd. Bei uns langt's
bloß zum Malen von Hammer und Sichel.
GERT: So, meinst du... Nu pass mal auf, du! Ich mach jetzt den Picasso der Lebenskunst! Hol ihn rein, den Rheinländer! Hier steht der preussische Marsch! Taramtamtam.. Taramtamtam..
WILLI: Warte! Wie willste rangehen? Hol raus, was du rausholen kannst. Na, ich seh schon, ich muss das tun. Also, pass auf, wir drehn das Ding so. Infolge des Schocks hast du nen Hörsturz, du
hörst schlecht, drum muss ich dolmetschen. (Tür geht auf) Da ist er schon.
(KLAUS kommt)
KLAUS: Pardon, wenn ich so reinplatze. Der Düsseldorfer sagt, er will die Villa kaufen. Meine Herren: verfügen Sie über mich! Jedes gewünschte Immobiliengeschäft wickel ich für Sie ab in
kürzester Frist und bester Qualität. Ich habe alle nötigen Papiere bei mir, jede Art von Kaufvertrag.
WILLI: Nee, danke.
GERT: Wir machen unsre Lebenskunst ganz allein.
KLAUS: Sie werden mich brauchen.
WILLI: Achja? Und warum, Sie Klugscheißer?
KLAUS: Sie haben die Hausnummern vertauscht.
WILLI: Verdammt! (zu GERT) Was haste wieder angestellt?
KLAUS: Er ist unschuldig. Ihre Hausnummer fiel mir auf die Füße. Das heißt natürlich seine...
GERT (zu WILLI): Deine Schuld! Schlampig geschraubt hast du!
KLAUS: Und darum brauchen Sie mich, denn ich bin ein durchaus seriöser Makler. Von der temporären Unordnung der Hausnummern habe ich selbstverständlich nichts bemerkt.
WILLI: Junge, Sie haben den richtigen Durchblick. Dafür sollen Sie auch Prozente kriegen. Sagen wir sechs?
KLAUS: Sie wissen nicht, was Sie sagen.
WILLI: O doch, sechs reicht vollkommen, ist sogar ne ganze Menge.
KLAUS: Ich eile zu den Papieren. (ruft) Ingrid! (ab)
WILLI: Ist das seine Sekretärin? ..Ich ruf jetzt den Rheinländer. Denk dran: taub biste! (öffnet die Tür, ruft) Herr Schmidt!
SCHMIDT (mit einer Kühlbox):Alles in Ordnung? (stellt die Kühlbox auf den Tisch)
WILLI: Ja. Bloß hört er noch schlecht.
SCHMIDT: Aber er ist einverstanden? Er verkauft?
WILLI: Na klar. Sie sollen ihm jetzt ein Angebot machen.
SCHMIDT: Sehr schön. 150.000. Ein guter Preis.
GERT: Hat er was gesagt?
WILLI: Nee, ich hab auch nichts gehört..
SCHMIDT: 150.000 hab ich gesagt!
WILLI: Höher, nicht lauter!
SCHMIDT: Verstehe. 200.000.
WILLI: So was hört er nicht mal mit ner Lautsprecheranlage. Ich geb Ihnen mal die Lautrichtung an. Ein guter Bekannter von ihm, auch ein großer Liebhaber, der wollte ihm 250.000 zahlen, aber das
hat er abgelehnt.
SCHMIDT: So.. Na dann ... 280.000!
WILLI: Angenommen! (zu GERT, sehr laut) Du musst was sagen!
GERT: Schrei nicht so, sonst werd ich noch taub.
WILLI: Biste doch schon!
GERT: Ja, aber es könnt noch schlimmer kommen ... Hat jemand was gesagt?
SCHMIDT: Himmelherrgott. 300.000! Und keinen Pfennig mehr!
(WILLI stößt GERT an)
GERT: Was schubste!
WILLI: Biste taub?
GERT: Ja!
WILLI (zu SCHMIDT): Er hat ja gesagt.
SCHMIDT: Na endlich!
GERT: Was endlich?
WILLI: 300.000 kriegste. Westmark. (GERT sinkt in seine Arme)
(blackout)
(In Jacobis Haus. SCHMIDT holt Champagner aus der Kühlbox.)
SCHMIDT: Haben Sie Gläser?
WILLI: Ja, natürlich. Moment... Gert, wo hab ich die letztens hingestellt?
GERT: Küche, Wandschrank rechts oben.
WILLI: Stimmt, jetzt fällt mir’s wieder ein. (ab in die Küche)
SCHMIDT: Sie sind ein liebenswürdiger Mensch, Herr Jacobi. Ich bin glücklich, Sie als Nachbarn zu haben. Sehen Sie, unsere Schwierigkeiten bestehen doch nur in der Sichtweise. Wenn man aus dem
Westen kommt, dann sieht man eben die Welt mit andern Augen, aber ich glaube, wir fangen an, eine gemeinsame Sicht zu haben. Darauf wollen wir anstoßen!
GERT: Aber da ist noch was, was ich Ihnen sagen muss.
WILLI (kommt aus der Küche): Gert! Vorsicht! Glück und Glas, wie leicht bricht das.
GERT: Dann pass mal auf bei deinen Gläsern.
WILLI: Besonders das Glück mein ich!
GERT: Ja, das auch. (zu SCHMIDT) Sie, das liegt mir auf’m Magen.
WILLI (zu SCHMIDT): Hörn Sie nicht hin! Wenn er Magenschmerzen hat, dann redet er Blödsinn.
GERT: Ich hab mich versprochen. Auf’m Herzen, mein ich, ja, da liegt mir das.. Herr Schmidt!
SCHMIDT: Schon gut, schon gut, beruhigen Sie sich.
WILLI: Ja, halt die Klappe!
GERT: Am Giebel, rechts, bei der Dachrinne, da ist ein Loch. Da sitzen jedes Jahr Spatzen drin, ich kenn die Familie schon seit dreißig Jahren. Dass Sie das Loch nicht zumachen aus Versehen! Beim
Renoviern, mein ich.
WILLI: Was quatschte da!
SCHMIDT: Da wunder ich mich aber. Ich hab mir doch alles genau angesehn, die Fassade ist perfekt, nirgendwo ist da ein Loch.
GERT: Noch heut morgen hab ich dem Willi gesagt ...
WILLI: Blödsinn haste gesagt! Ich kenn die Vögel besser als du. Schwalben sind das, von wegen Spatzen! Und Schwalben sind die reinsten Baufachleute, die pappen ihre Nester an die Wand. Also das
ist kein Loch, sondern ein Nest! Ein Schwalbennest ist das!
SCHMIDT: Ja, aber das hab ich auch nicht gesehen!
GERT: Ich auch nicht.
WILLI: Sie haben's in ein Loch gepappt. Und dann haben sie‘s zugemauert. Sind eben Baufachleute.
GERT: Ja, aber dann kommen sie doch nicht mehr raus.
WILLI: Also das musst du schon den Schwalben überlassen. Denk lieber an dein eignes Nest. Das verkaufst du nämlich!
GERT: Ja, stimmt. Wenn bloß Anne nicht durchdreht ..
WILLI: Schluss jetzt! Jetzt wird gefeiert.
SCHMIDT: Wer ist Anne?
WILLI: Seine Haushälterin.
GERT: Haus ...? Na meinetwegen. Willi, aber eins versteh ich nicht, das ist doch komisch ... Gibt es tschilpende Schwalben?
WILLI: Mann! Hör endlich auf mit deinem Geflügel! (Er entkorkt eine Flasche, gießt drei Gläser ein, hebt seines) Auf unser Geschäft, Herrschaften!
(Sie trinken)
(KLAUS kommt)
KLAUS: Die Verträge sind fertig, Herr Schmidt, wenn Sie noch mal prüfen wollen.
SCHMIDT: Ein Glas für unsern jungen Freund, den Herrn Makler.
(WILLI gießt ein, GERT hält ihm sein Glas hin, WILLI füllt auch dessen Glas und seines. Während die beiden den Champagner genießen und dabei sich heimlich die Hände
drücken, setzen sich KLAUS und SCHMIDT an den Tisch und gehen die Verträge durch.)
WILLI (zu GERT): Feiner Gaumenkitzel, was? Sag mal. Warum rufst du nicht deine Nichte? Die kann doch mitfeiern!
KLAUS: Die ist drüben, mit dem Briefträger!
GERT: Der Krause!
WILLI: Der Schnüffler
KLAUS: Und Dichter und Pfeifer.
GERT: Willi, das geht in die Hose!
WILLI: Ich geh schon ... Zu spät.
(Tür geht auf. Zuerst INGRID, dann BRIEFTRÄGER)
BRIEFTRÄGER: Die junge Frau wollte mich verführn, aber nicht im Dienst, bitt ich mir aus. Na, Willi, feierst zweimal, was? Hüben und drüben, was? Na, ich mach’s gern noch mal.
INGRID: Er war nicht mehr zu halten.
WILLI (hat rasch die Flasche gegriffen, gießt ein Glas voll): Ja, Krause, hier feiern Lebenskünstler. Kannst mitmachen.
BRIEFTRÄGER (nimmt das Glas): Aus reiner Fürsorge. Den Künstlern muss man helfen, die Flaschen zu leeren, sonst saufen die sich tot. (trinkt)
KLAUS: Meine Herren, Ihre Unterschriften! (WILLI, GERT und SCHMIDT unterschreiben)
BRIEFTRÄGER: Was, schon wieder? In letzter Zeit wird ein bisschen viel unterschrieben. Und immer ist so ein feiner Pinkel dabei. Ein Nichtberliner, erkennste am Tuch. Ich sag nur:
Vorsicht.
WILLI: Lass den Quatsch. Wir sind alle aus demselben Stoff.
BRIEFTRÄGER: Nee. Die Menschheit teilt sich auf ewig in Berliner und Nichtberliner. Letzteren ist nicht zu trauen, könnte ja ein Sachse sein. (trinkt mit
einem Zug das Glas leer)
SCHMIDT: Sie! Das ist Champagner.
BRIEFTRÄGER: Jetzt spricht er auch noch ausländisch. Schampus heißt das!
SCHMIDT: Lieber Mann, machen Sie nicht so'n Gedöns.
BRIEFTRÄGER: Was sagt er? Der Mann wird ja immer ausländischer. Ihre Papiere!
SCHMIDT: Ich bin Deutscher aus Düsseldorf und es werden noch mehr kommen. Sie tun gut daran, sich an diese Ausdrucksweise zu gewöhnen.
WILLI (unterschreibt): Ja, Krause, Vopo ist aus! (zu GERT) Jetzt du.. (schiebt ihm ein Blatt hin, GERT unterschreibt)
BRIEFTRÄGER: Jawohl, ich hab das Volk gehütet. Und ich tu's weiter, ehrenamtlich. Einer muss es ja tun.
SCHMIDT: So. Fertig. (faltet seine Verträge, steckt sie in die Brieftasche, steht auf) Lassen Sie mich zum Abschluss noch ein paar Worte sagen im Hinblick auf unsere großartige gesamtdeutsche
Zukunft ...
BRIEFTRÄGER: Nee, das lassen Sie mal. Die kenn ich schon. Und denn bin ich hier der Diensthabende. Sie warten gefälligst, bis ich mit meinem Dienst fertig bin. (holt Briefe aus der Tasche) Wieso hab ich am Schluss immer noch so'n Haufen? (fächert sie auf in der Hand wie
Spielkarten) Na, wer will zuerst? (zieht einen Brief) Hier is‘n bunter. (zu SCHMIDT) Sie! Das wär was
für Sie! Drin is’n Rubbellos. Is aber ne Niete. Wolln Se? Nee? Der Mann ist ja intelligent. (steckt den Brief in die Tasche, zieht den nächsten) Hier
is'n Tütchen drauf mit ner Gesichtscreme. Was? Kein Bedarf? Der Mann ist aus Plast. (steckt ihn weg, zieht den nächsten) Aber jetzt, passen Sie auf.
Bei dem brauchen Sie bloß was auszufülln und sie kriegen ne Frau aus Thailand. Nee? Sagen Sie mal, wie soll ich meinen Beruf ausüben, wenn Sie dauernd die Annahme verweigern?
SCHMIDT: Himmelherrgott! Geben Sie schon her. (zieht einen Brief, steckt ihn unbesehen in die Jackentasche)
BRIEFTRÄGER: Selbstbedienung! Der Mann gefährdet meinen Arbeitsplatz
SCHMIDT: Lassen Sie mich endlich meine Rede halten.
BRIEFTRÄGER: Halten Sie mir lieber die Tür auf, ich muss los, sonst komm ich zu spät zum Feierabend. (ab)
SCHMIDT: Gott sei Dank, er ist weg .. Meine Dame, meine Herren! ... Wo war ich stehn geblieben?
GERT (blickt durchs Fenster): Anne! Da kommt Anne!
WILLI: Mach kein Quatsch! (sieht nach) Verflucht, sie ist es!
SCHMIDT: Die Haushälterin?
WILLI: Halt sie auf, Ingrid!
INGRID: Klaus, los, komm mit!
KLAUS: Wo sind meine Pistolen? (beide rasch ab)
SCHMIDT: Warum so aufgeregt?
GERT: Mir wird schlecht... (setzt sich)
SCHMIDT: Was denn? Haben Sie etwa Angst? Vor Ihrer Haushälterin?
WILLI (zu GERT): Wir müssen‘s ihm sagen.
GERT: Mir wird immer schlechter
WILLI: In seinem Interesse! Hören Sie her, Herr Schmidt, jetzt braucht’s Mut und Geistesgegenwart. Ich denk, von einem gewieften Geschäftsmann, Banker zumal, können wir das erwarten. Diese Frau
ist etwas Besonderes, sie ist ..
SCHMIDT: Haushälterin. Mein Gott! Bloß Haushälterin!
WILLI: ...die Bürgermeisterin von Köpenick!
GERT: Nee!
WILLI: Sie herrscht sozusagen über uns.
GERT: Ja, das stimmt.
SCHMIDT: Sie sagten doch, sie sei seine Haushälterin!
WILLI: Ja, privat.
GERT: Stimmt auch.
WILLI: Berufsmäßig ist sie gnadenlos. Da kennt sie kein Pardon. Sie bekämpft alles, was aus dem Westen kommt. Was meinste, Gert, was passiert, wenn sie den netten Herrn Schmidt hier
entdeckt.
GERT: Auweia!
WILLI: Na los! Sag’s ruhig.
GERT: Ja, dann.. dann ...Weißte was? (will weg) Ich geh mal lieber.
WILLI: Wohin?
GERT: In meine Villa.
WILLI: Hiergeblieben! (drückt ihn auf den Stuhl) Er will seine Haushälterin nicht schlechtmachen, aber ich verrat’s Ihnen: Herr Schmidt! Sie kommen in
den Knast.
GERT: Bestimmt. Wir alle.
SCHMIDT: Unmöglich. Weswegen denn?
WILLI: Erstens als Bürgermeisterin, zweitens als Parteisekretärin, drittens Stasi ...
SCHMIDT: Wie komm ich heimlich raus?
WILLI: Durch den Keller!
SCHMIDT (nimmt in den Koffer): Dann mach ich mal.. Auf Wiedersehen, meine Herren! (ab durch die
Kellertür)
(Die Tür geht auf. ANNE, mit großem Hut, im eleganten Kostüm, links und rechts prall gefüllte Plastiktaschen)
ANNE: Da bleibt euch die Spucke weg, was!
INGRID (hinter ihr): Steht ihr großartig, was?
WILLI: Wer ist diese junge, hübsche Frau?
GERT: Kommt mir bekannt vor. Hat Anne ne Tochter?
ANNE: Na, das müsstest du doch als erster wissen, du Knallkopp. Macht mal Platz auf dem Tisch.. Was ist denn das hier? (nimmt eine Flasche) Champagner!
Meine Arbeiter saufen heimlich Schampus!
WILLI: Und in welcher Schickeria-Boutique warst du, wenn ich fragen darf?
ANNE: Von wem sind die? Die Flaschen kosten ja ein Vermögen!
KLAUS (kommt): Das war ich. Ein Mitbringsel von mir.
ANNE: Sie müssen es ja dicke haben, junger Mann. Wer sind Sie eigentlich?
INGRID: Mein Verlobter.
WILLI: Ja, wir haben die Verlobung gefeiert.
ANNE: Ohne auf mich zu warten? Schämt euch. (GERT versucht sie in die Küche zu ziehn) Was zerrste an mir rum? Verdirbst mir ja das Kostüm!
GERT: Komm, wir packen's in der Küche aus.
ANNE: Nee, ich will euch erst meine Schnäppchen zeigen. Hab ne Menge dabei gespart. Aber fragt mich nicht, wo das Geld geblieben ist.
WILLI: Nu geh schon in die Küche, da wartet ne Überraschung auf dich. Die haben wir blankgeputzt! Mit Hochglanz!
ANNE: Echt? Das glaub ich nicht. Das will ich sehn! (ab in die Küche, ein Schrei
KLAUS: Scheint eine sehr überraschende Überraschung zu sein.
INGRID: Ja, das klang nicht gut. Gehen wir lieber rüber.
WILLI: Gute Idee. (alle drei schnell ab)
ANNE (kommt): Gert!
GERT: Hast du vielleicht geschrien?
ANNE: Hat’s dich erschreckt? Sollte es auch. War ein Spaß. Ich dachte, die Küche sieht bestimmt aus wie’n Betonwerk. Aber alles tipptopp. Na, wär auch nicht so schlimm gewesen. Heut drück ich ’n
Auge zu.
GERT: Immer noch eins zu viel. (setzt sich)
ANNE: Der Umsatz war nämlich Spitze, alles verkauft. Ist was mit dir?
GERT: Mir ist nicht gut.
ANNE: Steht mir der Hut irklich so gut?
GERT: Ein
Sahnehäuptchen.
ANNE: Denn geh ich mit dem auch ins Bett. Na, nu kuck nich so betröpelt. Oder ist was? Verheimlichst du was?
GERT (hebt die Hände, zeigt sechs Finger): Wieviel Finger siehste?
ANNE: Sechs. Was soll das?
GERT: Und was spürste jetzt? Nichts? Wär jetzt ne feine Sache gewesen. Na, dann eben nicht... Ich ... ich ... hab das Haus verkauft.
ANNE: Was haste verkauft?
GERT: Unser ... Haus.
ANNE: Verarsch mich nicht!
GERT: Da steht's. Auf dem Papier. (ANNE greift sich den Vertrag, fängt an zu lesen.) Ich wollt dem Willi doch bloß helfen! Und nu lässt der mich
hängen. So'n Freund ist das!
ANNE: Ruhe!
GERT: Er würd sich sonst erhängen! sagt er. Wär vielleicht das Beste.
ANNE: Da steht 300 000.
GERT: Und Westmark! Stell dir vor! Was du dafür kriegst! Ne Eigentumswohnung! Drüben beim Willi, unterm Dach. Und ne Einbauküche, die kriegste auch. Versteht sich. Und denn neue Klamotten.. und
Hüte, jeden Tag nen andern, steht dir doch! Und Mallorca, Anne, Mallorca!
ANNE: Verkauft. Darf man vielleicht
wissen an welchen Idioten?
GERT: Steht doch da drin..
ANNE (liest noch einmal): Ein Wessi. Jetzt versteh ich.
GERT: Und Sorgen wegen den vertauschten Hausnummern musste dir nicht machen, der Makler ist auf unsrer Seite.
ANNE: Was für
Hausnummern?
GERT: Kannste mir’n Glas Wasser bringen? Mir ist schlecht.
ANNE: Hausnummern vertauschen. Das wird ja immer besser.. Wer ist denn da drauf gekommen? (ruft) Willi!
GERT: Richtig! Der ist schuld.
WILLI (öffnet die Tür): Bin ich jetzt dran?
ANNE: Komm rin. Mit Gert kann man ja nicht normal reden. Mach mal das Radio an. (WILLI kommt und schaltet das Radio an) Lass es dröhnen! (Es kommt Tanzmusik, sie gießt sich ein und trinkt) Nee, wenn man euch bloß ne Sekunde alleine lässt! (steht auf) Nu
wird das Tanzbein geschwungen. Na los, Willi! (packt ihn, sie tanzen) Locker, mein Junge, nicht so steif. Weeßte, was das ist?
WILLI: Kriminell?
ANNE: Quatsch. ‘n Rheinländer ist das.
WILLI: Sag bloß! Und ich dachte ne Polka.
WILLI (zu GERT): Siehste! Von Geschäften versteht sie was.
ANNE: Richtig. Und wenn wir dich nicht verpfeifen solln, denn kriegen wir die Wohnung bei dir für 20 Mille.
GERT: Und keinen Pfennig mehr!
WILLI (lässt ANNE los): Nee, jetzt will ich nicht mehr. (setzt sich)
ANNE (zu GERT): Los, komm! Rheinländer tanzen!
GERT (steht auf): Ja, aber auf preußisch, bittschön. Taramtammtamm, taramtammtamm. (Sie tanzen)
(Blackout)
(Draußen. Die Hausnummern befinden sich wieder am richtigen Platz. ANNE, INGRID, KLAUS)
ANNE: Nee, das ist ein Großeinkauftag heute. Jetzt kauf ich auch noch dem Willi sein Dachgeschoss! (zu KLAUS) Sie sind doch Fachmann, kommen Sie, wir
sehn uns das mal an. Ich kauf keine Katze im Sack.
KLAUS: Gern. Und ich erledige Ihnen auch den ganzen Papierkram, vom Kaufvertrag bis zum Grundbucheintrag. 5 %.Einverstanden?
ANNE: Was denn?
KLAUS: Meine Provision.
INGRID: Könntest das ja auch mal kostenlos machen. Für uns. Sind doch Familie.
ANNE: Eigentlich hätte er mehr verdient. Wie wär’s mit 6?
KLAUS: Nicht schon wieder..!
INGRID: Anne, halt ihn fest! (läuft in die „Villa“, KLAUS will ihr nachrennen)
ANNE: Stop! (hält ihn fest) Sag mal, was spielt ihr? Kriegen?
KLAUS: Ja! Aber ich krieg sie ja nicht.
ANNE: Na, das wär ja auch zu einfach.... Sie ist drin.. (lässt ihn los) Ich kenne den Stress. Von früher. Ich mag ihn.
KLAUS: Achja? Waren Sie schon mal Mann? Na sehn Sie. (beide ab in die „Villa“)
(BRIEFTRÄGER kommt angeradelt, bremst, steigt schwungvoll ab, fällt mit dem Fahrrad hin)
BRIEFTRÄGER: Im Allgemeinen fall ich besser. Ich hab einen sitzen, darum (rappelt sich auf, stellt das Fahrrad hin) Stillgestanden! Na bitte. So‘n
zackiges Fahrrad hat nicht jeder. (sieht sich um) Wo isser, der Ausländer? Klaut mir nen Brief und das vor meinen eigenen Augen, das ist historisch,
und ich bin dabei gewesen. Es wird allmählich zu viel. Gestern fährt mir die Straßenbahn vor der Nase weg, zum ersten Mal pünktlich. Und wieder bin
ich dabei gewesen. Und diese Ausländer! Versteh die einer. Hörte, wie ein ein Österreicher zu nem Pfannkuchen Berliner sagte. Man hätt ihn verhaften solln. Zur Verteidigung sagte er, in
Österreich heißt ein Berliner Krapfen. Frechheit. Man hätt ihn noch mal verhaften solln. Na, wie gesagt, ich bin dabei gewesen. Ja, und denn krieg ich heut morng vom Chef ne Zigarre.. ne echte,
nicht zu glauben! (holt sie, betrachtet sie, steckt sie weg) Ein Glück, ich bin dabei gewesen! (INGRID kommt
mit Koffer erregt aus der „Villa“) Halt! Stehenbleiben! Berlinerin oder nicht?
INGRID: Geht Sie nen Scheißdreck an.
BRIEFTRÄGER: Danke, das reicht. Der jute Ton ist so jut wie ein Ausweis. (KLAUS kommt aus der „Villa“.)
KLAUS: Warte! (will INGRID an der Hand fassen)
INGRID: Lass mich! Keine Sekunde bleib ich. Ich hau ab. (wehrt ihn ab)
KLAUS: In Wirklichkeit willst du’s doch auch.
INGRID: Was?
KLAUS: Na das!
INGRID: Nicht alle fünf Minuten!
KLAUS (sinkt auf die Knie): Alle zehn Minuten? Bitte!
BRIEFTRÄGER: Nee! Kein Berliner fällt auf die Knie, niemals.
INGRID: Suchst du was?
KLAUS (steht auf, klopft sich den Staub vom Knie): Ohne Geigen und Kerzenlicht funktioniert das nicht. Also gut. Was verlangst du? Was soll ich tun?
BRIEFTRÄGER (zu INGRID): Machen Sie ihn fertig!
INGRID (zu BRIEFTRÄGER): Schnauze!
BRIEFTRÄGER: Klasse. ‘ne waschechte Berlinerin!
INGRID: Um die Ecke ist die Tram. Die nehm ich. (zum BRIEFTRÄGER) Wann fährt die nächste?
BRIEFTRÄGER: Die fährt alle sechs Minuten.
KLAUS: Ha! (beißt sich in den Zeigefinger)
INGRID: Wirklich?
BRIEFTRÄGER: Sagte ich doch. Alle sechs Minuten. (KLAUS beißt sich in die Hand) Was hat er?
INGRID: Keine Ahnung. Und kommt jetzt eine?
BRIEFTRÄGER: Mensch! Wenn nicht jetzt, dann in sechs Minuten! (mehr zu sich) Die tickt nicht richtig.
INGRID: Was sagten Sie?
BRIEFTRÄGER: In sechs Minuten! Alle sechs Minuten! Sechs, sechs, sechs! Schreiben Sie’s auf! (KLAUS rennt zur Regentonne) Der hat was gegen den
Fahrplan. (KLAUS steckt den Kopf in die Tonne) Nu ersäuft er sich.
INGRID: Hoffentlich.
BRIEFTRÄGER: Sie sind ja ne verflucht scharfe Berlinerin
KLAUS (kommt, den nassen Kopf schüttelnd): Also gut. Wie ihr wollt. Jetzt platzt sie. Die Story von Köpenick. Ich hab genug.
INGRID: Ich auch. Ich fahr jetzt!
KLAUS: Fahr wohin du willst. Ich fahr in eine Staatspension mit schwedischen Gardinen. Und Sie, Herr Postmeister, bringen mich dahin!
BRIEFTRÄGER: Pakete macht der Kollege.
INGRID: Haben Sie nicht längst Feierabend?
KLAUS: Er ist im Dienst und einen solchen beanspruche ich jetzt.
BRIEFTRÄGER: Im Dienst. Und das mit großem persönlichen Einsatz sowie Überstunden. Der Ausländer hat mir einen Brief geklaut! Wo ist der?
INGRID: Der ist längst weg.
KLAUS (zum BRIEFTRÄGER): Kommen Sie. Auf zum Revier. Ich lass die Geschichte jetzt auffliegen.
BRIEFTRÄGER: Zu Befehl, Genosse Kommissar. Bloß, den Kerl haben wir ja noch gar nicht.
KLAUS: Ich bin kein Kommissar, ich bin der Kriminelle.
BRIEFTRÄGER: Sagen Sie mal, Sie bringen ja alles ganz durcheinander. Sind wohl nicht von hier, was?
INGRID: Das nenn ich Erpressung! Ich geh trotzdem! Esel!
BRIEFTRÄGER: Achja? Ihre Papiere!
INGRID: Sie doch nicht!
KLAUS: Aber ohne Koffer! Zicke! (nimmt ihren Koffer, geht in Richtung „Villa“)
INGRID (folgt ihm): Du Mistkerl!
BRIEFTRÄGER: Leute, wann heiratet ihr endlich?
INGRID/KLAUS (sich umdrehend): Klappe! (ab in die „Villa“)
BRIEFTRÄGER: Kannste nicht meckern. Einwandfrei Berliner. Und nu? Der Düsseldorfer ist ein feindlicher Agent, das ist man klar. Wo versteckt der sich?
(Man hört ein Auto bremsen, Türenschlagen, SCHMIDT kommt eilig)
SCHMIDT / BRIEFTRÄGER: Da sind Sie ja!
BRIEFTRÄGER: Hände hoch und nicht gewackelt!
SCHMIDT: Genau zu Ihnen wollte ich!
BRIEFTRÄGER: Kommen Sie nicht näher, Widerstand ist zwecklos. Wo ist der Brief?
SCHMIDT: Hier! (zieht den Brief aus der Jackentasche) Seinetwegen komm ich ja zurück. Den Einschreibebrief haben Sie mir versehentlich zugesteckt. Gott
sei Dank hab ich es noch bemerkt,
BRIEFTRÄGER: Lüge! (greift sich den Brief) Ich war dabei! Ich bin immer dabei, wenn's historisch wird. Sie haben das Einschreiben geklaut! Und das
unter den Augen des Postgeheimnisses. (zeigt auf sich) Das bin ich.
SCHMIDT: Sie sind ja betrunken.
BRIEFTRÄGER: Ich bin vom Zorn berauscht! Na, jetzt werd ich mal dem Zech den verdammten Brief abliefern. (wendet sich zur Villa)
SCHMIDT (zeigt auf die „Bude“): Da müssen Sie da rüber!
BRIEFTRÄGER: Nicht mal Hausnummern lesen kann er. Zech hat die 1!
SCHMIDT: Weiß ich doch. (sieht hin, stutzt) Die 1 gehört doch dort hin!
BRIEFTRÄGER: Nu langt’s aber! Jetzt ist Schluss mit dem Historischen! Nischt wird mehr geändert! Hier war die 1, hier ist sie und hier bleibt sie für alle Ewigkeit!
SCHMIDT (packt BRIEFTRÄGER): Die Hausnummern! Sie haben die Hausnummern vertauscht!
BRIEFTRÄGER: Sie sind ja besoffen! Küss mich und sag Genosse zu mir!
SCHMIDT (schreit): Sie haben die Hausnummern vertauscht!
BRIEFTRÄGER: Hilfe! Ein Wahnsinniger! (SCHMIDT lässt ihn los)
SCHMIDT (zeigt auf die „Bude“): Das hab ich gekauft!
BRIEFTRÄGER: Na passt doch. Zum Altbier das Althaus.
SCHMIDT: Für 300.000!
BRIEFTRÄGER: Gratuliere. Ein Schnäppchen. (rennt hinauf zur „Villa“)
SCHMIDT: Na warte! (rennt hinterher) Den Jacobi schlag ich tot!
BRIEFTRÄGER: Ja, wo laufen Sie denn! Jacobi ist drüben!
SCHMIDT(macht kehrt, läuft zur Bude): Stasipack!
BRIEFTRÄGER: Sie! (holt aus) Jetzt werd ich aber wütend!
SCHMIDT: Nicht Sie. Die andern!
BRIEFTRÄGER: Ihr Glück. (SCHMIDT läuft hinüber zu Haus 2, ab ins Haus.) Also weeßte. Nerven brauchste in Berlin..
(Blackout)
(In Jacobis Haus. GERT und WILLI sitzen am Tisch, sie haben gerade Bier getrunken).
WILLI: Siehste, das ist genau die Kunst, die wir weitermachen müssen. Das war bloß der Anfang. Als nächstes knüpfen wir uns die andern Bänker vor. Wie heißt der von der Deutschen Bank?
GERT: Noch ne Sekunde und ich hätt den Verstand verlorn.
WILLI: Wozu braucht’n Mensch Verstand, wenn er reich ist. Kannst dir jetzt alles leisten. Alle Dummheiten und dazu russischen Kaviar, Zigarren aus Kuba, Klamotten aus Italien, Champagner aus
Frankreich... Na und reisen, reisen..
GERT: Eigentlich will ich bloß'n knallrotes Auto mit Klimaanlage, Radio in Stereo und Gardinen an den Fenstern und nen Chauffeur ganz in Weiß, passend zu den Räd ...
(Die Tür knallt auf. SCHMIDT)
SCHMIDT: Verbrecher! Banditen!
GERT: Er hat’s raus!
SCHMIDT: Ihr Betrüger! Her mit den Verträgen! Die werden annulliert!
WILLI (greift sich ans Herz): Ah! (fällt vom Stuhl)
GERT: Willi! (zu SCHMIDT) Na bitte.. Jetzt hat er nen Herzinfarkt.
SCHMIDT: Den hätt eigentlich ich haben müssen.
GERT: Stimmt! (beugt sich über WILLI) Willi! Nu sag doch was ..
SCHMIDT: Der spielt doch nur.
GERT: Nee, was Willi macht, das macht er richtig. Der ist tot.
SCHMIDT: Tot oder lebendig: Sie kommen in den Knast, dafür sorge ich. Ihr steckt alle unter einer Decke. Der reinste Kommunistenklüngel ... Wo sind die Verträge?
GERT: Hier ist wer tot. Und Sie schrein nach Verträgen. Das verträgt sich nicht!
SCHMIT: Wenn Sie die Wahrheit nicht vertragen, ist das Ihre Sache. (sucht auf dem Tisch) Ekelhaft.. Bier! Nach dem Champagner! (findet einen Vertrag) Da ist einer. (lautlos steht Willi auf) Und der andere? (WILLI nimmt das Tablett von der Kommode) Wo ist der andere?
(WILLI schlägt ihm von hinten das Tablett über
den Kopf, SCHMIDT wankt, dreht sich, fällt zu Boden und spielt ab sofort den Toten)
WILLI: Mistkerl verdammter! (bückt sich, hebt den Vertrag auf, zu GERT) Wie kannst du den so rumliegen lassen!
GERT: Mann! Den haste erwischt.
WILLI: Beim Klaun, ja!
GERT: Der rührt sich ja nicht!
WILLI: Sein Glück.
GERT: Der kuckt wie beim Genickbruch.
WILLI: Spinn nicht! (beugt sich über SCHMIDTs Gesicht, drück dann das Ohr an dessen Brust, richtet sich auf) ‘n Spiegel, haste nen Spiegel.. (GERT holt von der Kommode einen Spiegel, gibt ihn WILLI, der hält den Spiegel vor SCHMIDTs Mund, springt auf) Verdammte Scheiße. Der ist ja echt tot.
GERT: Ich wünscht, ich wär tot. (setzt sich) Warum geht's den Wessis immer besser als uns?
WILLI: Ich! Ich bin so gut wie tot! Hilf mir, verdammt noch mal! (wütend) Der ist schuld! Kommt einfach zurück. Ohne Vorwarnung. Ist der blöd? Reiner
Selbstmord war das. Ein verdammter Selbstmörder ist das.
GERT: Hättste bloß auf mich gehört. Lass die Finger von, hab ich gesagt.
WILLI: Mecker nicht rum. Sag lieber, was ich tun soll! Denk nach!
GERT: Ja, ja, ich denk ja schon. Denken ist auch ne Kunst.
WILLI: Beeil dich!
GERT: Ruhe! ... Ich hab’s. Weißte was? Du hast es nicht gesehen, aber ich. Es war ... ein Unfall!
WILLI: Das haste gesehn?
GERT: Da biste platt, was.
WILLI: Ein Unfall ... Nee, du. So einfach geht das nicht. Dann hätt ich mir das Genick schon zehnmal gebrochen.
GERT: Dann haste was falsch gemacht.
WILLI: Und wie hat er's hingekriegt, na?
GERT: Ein klassischer Hausunfall. Passiert alle fünf Minuten. Frag die Versicherungen. Von hundert Unfällen sind ...
WILLI: Wie, wie! Ich will wissen wie! (Unbemerkt hebt SCHMIDT den Kopf und hört zu.)
GERT: Also pass auf, das war so. Erst ist er gestolpert, ganz normal, aber weil er nicht von hier ist – die Rheinländer sind ja so was von fremd hier –, stolperte er in die falsche Richtung,
nämlich unter dein Tablett, und nu sucht er natürlich nen Halt, aber eh wir ihm die Haltestelle sagen konnten, saust er gegen die Tischkante und ... wums ... Hausunfall. Alles im grünen
Bereich.
WILLI: Genau, genau, so war es .. Ja, so war es, ein klassischer Hausunfall, genau. Passiert alle fünf Minuten.
GERT: Ich will mich nicht festlegen auf die Minute.
WILLI: Mann, deine Augen möcht ich haben. Bloß das mit dem Tablett, das war anders, verlass dich drauf. Der schnüffelte nämlich hier rum, das tut man nicht in ner fremden Wohnung, aber der tut so
was, er schlich also hier rum.. und plötzlich ... plötzlich kracht er mit einem Fuß.. nu rat mal ... ins Fußbodenloch!
GERT: Echt? Das hab ich ja glatt übersehn.
WILLI: So war es. Das Tablett war gar nicht nötig, also vergiss es. Und das Loch, das hat er selber gemacht. Jawohl, weil er unbedingt unterm Fußboden schnüffeln wollte. Na, das hat er
davon.
GERT: Wart mal. Wo war das? In welchem Haus? Bloß keinen Fehler jetzt. Wo hat er das Loch gemacht? Dein Haus hat er doch gekauft ... Nee, meins ... Also ist das Loch bei …
Nu mal ehrlich, Willi. Wo sind wir? Bei mir oder bei dir?
WILLI: Ich bin bei dir, das ist die Hauptsache, und jetzt schrein wir Hilfe, dann kommt Anne, die holt gleich den Notarzt, wir selber sind ja völlig am Boden, so was Schreckliches haut den
stärksten Mann um ...Nee! (geht rasch zur Tür, schließt ab) Da ist noch was.
GERT: Nee, nich!
WILLI: Doch. Unsre Fabrik. Wenn die Bullen rauskriegen, wir fabrizieren Mauersteine, denn Feierabend.
GERT: Auweia! Dann bin ich ja echt arbeitslos.
WILLI: Und in den Knast kommste auch. Also weg damit! Der Zement weg, die Verpackungen, die Etiketten. Auch deine Berliner Mauer muss weg. Die wird geweißt! (lässt das Rollo hochsausen) Wo ist ne weiße Farbe ... (öffnet die Kommode, nimmt eine weiße Spraydose)
GERT (stellt sich schützend vor sen Gemälde): Nur über meine Leiche.
WILLI: Weg da!
GERT: Rühr meine Kunst nicht an!
WILLI: Ich knall dir die Büchse vorm Kopp! (Er hebt die Spraydose, GERT schließt die Augen. SCHMIDT muss
niesen.)
WILLI: Wer war das?
GERT: Ich nicht!
(Sie drehen sich um. SCHMIDT hat sich aufgesetzt, putzt sich die Nase)
SCHMIDT: Bitte weitermachen, meine Herren! Lassen Sie sich nicht stören.
WILLI: Der Tote niest. Und jetzt spricht er auch noch. Wenn das nicht merkwürdig ist.
GERT: Nee, Herr Schmidt, wie ich mich freu, Sie im Leben wiederzusehn!
SCHMIDT (erhebt sich): Freun Sie sich nicht zu früh. Jetzt seid ihr geliefert, Freunde.
WILLI: Er schimpft uns Freunde!
SCHMIDT: Oder Gauner. Bitte sehr.
WILLI: Gert, das Messer! Das große.
GERT: Was? (Jemand versucht die Tür zu öffnen)
WILLI: Ruhe da draußen!
SCHMIDT: Sie sind ja verrückt.
WILLI: Klasse. Erst treibt er einen in den Wahnsinn, dann erklärt er ihn für verrückt. (heftig) Das Messer! Mensch! Wirste wohl ... (GERT geht zögernd an die Tischschublade) Beeil dich. Der stirbt mir noch weg vor Angst.
SCHMIDT: Sie können mich nicht einschüchtern! Sie nicht!
GERT (holt ein Messer heraus): Meinste das?
WILLI: Her damit!
GERT (reicht ihm das Messer): Das ist ein Brotmesser ...
SCHMIDT: Was will er damit?
WILLI: Ich schneid dich in Stücke und verfütter dich an die Hunde.
(An der Tür wird gerüttelt, dann tauchen am Fenster die Köpfe von INGRID und KLAUS auf und verschwinden wieder)
SCHMIDT: Unerhört ... Falsche Berliner Mauersteine, vertauschte Hausnummern, jetzt kommt der auch noch mit einem Messer. Die reinste Mafia. Ich ruf die Polizei. Wo ist das Telefon?
GERT: Können Sie uns eins besorgen?
WILLI: Ich werd's ihm besorgen und zwar jetzt! (geht auf SCHMIDT los)
GERT: Willi! Nicht!
SCHMIDT (weicht zurück): Seien Sie vernünftig ...
WILLI: In meinem Haus bin ich, was ich will!
SCHMIDT: Das ist mein Haus!
GERT: Nee, meins.
SCHMIDT: Hilfe! (Er rennt um den Tisch, WILLI hinterher)
GERT: Hilfe!
SCHMIDT: Schrein Sie nicht! Halten Sie ihn fest!
(GERT versucht WILLI festzuhalten. Die
Kellertür schlägt auf, KLAUS stürzt herein.)
KLAUS: Aber meine Herren! Erlauben Sie.. (nimmt WILLI das Messer aus der Hand) Müssen die Argumente so scharf sein? (geht zur Tür, schließt sie auf, INGRID kommt mit Gießkanne)
SCHMIDT: Sie sind mein Lebensretter! Vielen Dank ...
GERT: Auch meinen allerherzlichsten.
INGRID: Wo brennt’s? (will WILLI begießen)
WILLI: Halt! Ich qualm nur noch..
INGRID: Und Sie, Herr Schmidt?
SCHMIDT: Ich? Ich bin doch das gebrannte Kind.
WILLI: Friede, Freude, Eierkuchen. (stößt Ingrid beiseite) Nicht mit mir! (will KLAUS das Messer entreißen,
INGRID gießt mit der Gießkanne, trifft KLAUS)
KLAUS: Mich doch nicht!
WILLI (schneidet sich): Verdammt! Ich blute!
SCHMIDT: Recht so! Ins eigene Fleisch geschnitten!
INGRID (nimmt WILLIs Hand): Zeig mal!
KLAUS: Ich kann kein Blut sehen.
SCHMIDT: Ich auch nicht. Aber in diesem Falle.. (beugt sich nach vorn zu WILLI) Bei Ihnen mach ich aber gern eine Ausnahme. Zeigen Sie mal.
(WILLI holt mit der Faust aus, SCHMIDT weicht
lachend zurück)
INGRID: Nun halt doch endlich mal still!
GERT (zu SCHMIDT): Sie finden das lustig? Ja, das ist schön.
SCHMIDT: Ja, ich hab euch beide am Wickel.
INGRID: Zustände sind das. So was gibt es in ganz Mecklenburg nicht. Halt den Finger hoch, ich hol ein Pflaster. (ab in die Küche)
GERT: Willi, wir sind verloren!
WILLI: Hast mich ja nicht morden lassen.
SCHMIDT: Ich bring euch vor’s Gericht. Und dann ..
KLAUS: Und dann weiß es ganz Deutschland: Düsseldorfer Banker blamiert sich in Berlin. Ich kenn ein paar Journalisten. Wär ne tolle Story für die. (INGRID
kommt und beginnt WILLI’s Finger zu „verarzten“.)
SCHMIDT: Sie also auch ... Ihr hundsgemeinen Banditen ... (zu Klaus) Was schlagen Sie vor?
KLAUS: Wir machen die Vereinigung rückgängig. War ein Witz
WILLI: Find ich nicht.
INGRID: Was will er eigentlich. Er hat doch jetzt ein Grundstück! (prüft das Pflaster) So. Fertig.
SCHMIDT: Ja, bloß was für eins.
KLAUS: Ich hätt's gern. Das hier hat 1a-Lage.
GERT: Und denn ist es ja gar nicht verseucht.
SCHMIDT: Wie bitte?
GERT: Überhaupt nicht.
WILLI: Sehn Sie mal da draußen! Der Apfelbaum. Kerngesund. Hat die besten Äpfel.
GERT: Und Anne macht daraus nen Kuchen, da lecken Sie sich die Finger ab.
SCHMIDT: Da habt ihr mir also noch nen Bären aufgebunden.
KLAUS: Sogar nen goldnen. Und wenn Sie das hier abreißen und was Neues baun, da helf ich Ihnen. Ich bin auch Architekt. 5 % Honorar. Einverstanden?
SCHMIDT: Weil Sie mein Lebensretter sind: 6.
KLAUS: Die Firma dankt. (stutzt)
BRIEFTRÄGER (stolpert herein): Verdammt, jetzt mach ich aber ne Meldung. Mich wollte schon wieder ne Frau verführn. (ANNE kommt) Da ist sie!
ANNE: Wo ist dieser junge temperamentvolle Mann? (zu BRIEFTRÄGER) Da biste ja!
BRIEFTRÄGER: Nee, det bin ich nicht! Ich seh mir nur ähnlich.
WILLI: Mensch, Krause! Ist doch die Anne mit Hut.
BRIEFTRÄGER: Nee, wirklich! Die Anne! Da haste den Kapitalismus in seiner ganzen Pracht: Du erkennst die Menschen nicht mehr. (zu ANNE) Was rückst du
mir so auf die Pelle?
ANNE: Solltest dich bloß neben mich legen. Ich muss doch wissen, ob ins Dachzimmer ein Doppelbett passt. (sieht SCHMIDT)! Junger Mann, wollen Sie nicht
Maß mit mir nehmen und beiliegen?
SCHMIDT: Wie bitte?
GERT: Anne, beherrsch dich! Das ist der neue Hausbesitzer.
ANN: Gratuliere!
SCHMIDT: Ja, veräppeln Sie mich nur.
BRIEFTRÄGER: Leute! Vorsicht! (zeigt auf SCHMIDT) Willi, der ist hinter deinem Brief her wie ne Katz hinter der Maus. Das ist ein Agent! Haltet
ihn fest, ich muss dir ‚n Einschreiben aushändigen. Ihren Ausweis bitte!
WILLI: Sag mal, biste total bekloppt? Außerdem hab ich den Ausweis drüben.
BRIEFTRÄGER: Wo drüben? Ost oder West? Die Sache wird immer komplizierter. (streng zu WILLI) Machen Sie mal das linke Ohr frei! (WILLI gehorcht mechanisch) Dein Glück. Das Schlitzohr ist bekannt. Nu unterschreib und nimm den verdammten Brief. Damit ich endlich Feierabend hab. (WILLI unterschreibt)
INGRID: Jetzt brauch ich nen Kaffee. Ihr auch?
ANNE: Na immer.
INGRID: Wieviel seid ihr?
GERT: Pass auf, Anne, jetzt erlebste was ... Sechs!
(KLAUS hebt den Kopf wie ein lauschender Hund)
INGRID (beobachtet ihn): Wieviele?
ANNE: Sechs, Kindchen.
BRIEFTRÄGER: Mit der Sechs hat sie echt Probleme.
INGRID: Ich hab nicht richtig gehört..
BRIEFTRÄGER: Brüllen musste!
SCHMIDT (laut): Sechs! Mein Gott, hören Sie schlecht? Sechs, wie sechs Richtige.
KLAUS: Ingrid, ich hab eine schlechte Nachricht für dich. Ich glaub, ich bin geheilt.
INGRID: Na, dann komm mit und steh mir bei. (zieht KLAUS Richtung Küche, biegt plötzlich ab und huscht mit ihm in den Schrank, zieht das Rollo herunter.
Indessen müht sich WILLI mit dem Brief ab)
WILLI: Der verdammte Finger. Ich krieg den Brief nicht auf.
ANNE: Gib her. (nimmt den Brief) Oha! Von nem Notar. (reißt ihn auf, entfaltet ihn, reicht ihn WILL) Was
haste denn verbrochen?
WILLI: Mach kein Quatsch! (nimmt den Brief und liest)
GERT: Nu sag schon. Was steht drin? Was Schlimmes?
WILLI: Ich soll mir ein Haus ansehn.
ANNE: Ein Haus? Wo?
WILLI: In Düsseldorf-Oberkassel.
KLAUS: Ist bekannt. Gute Gegend!
SCHMIDT: Ja. Sehr vornehm. Und wo genau?
WILLI: Uferpromenade 3. Mit Blick auf den Rhein.
SCHMIDT: Ja, wirklich. Fantastischer Rheinblick. (zuckt zusammen) Da wohn ich ja!
WILLI: Na sehn Se! Das Haus hab ich geerbt.
(SCHMIDT sinkt in ANNEs Arme, diese kippt gegen WILLI, dieser wankt, GERT will ihn auffangen, doch jetzt fallen alle. BRIEFTRÄGER will aus der Reichweite
der Fallenden, stolpert über einen Stuhl und stürzt ebenfalls. Die Bühne scheint leer, da schnellt das Rollo hoch und man sieht, wie sich INGRID und KLAUS küssen.)
WILLI (rappelt sich auf): Der Brief ist von mir. Hab ich selbst gemacht. War doch nur Spaß... Der Mann
hat echt keinen Humor.
ENDE