Sie hatte sich aus der Hocke erhoben und suchte im Unkraut die Erdbeeren, ich hätte es längst aufgegeben, aber ihr Farb-Auge erspähte auch das winzigste Rot im Blattgewirr. Fast gleitend bewegte
sie sich auf eine Stelle zu, ihr Körper – umhüllt von einem blau-weiß beringten Baumwollkleid – folgte einem unhörbaren Rhythmus, den ich schon einmal weit weg von hier gefunden habe: im
Universum. Wie die Gestirne sich drehen und ein Gleiten und Fliegen und Wirbeln das Bild vollster Ruhe und Stille ergeben, so war es bei ihr, wenn sie sich bewegte. Da erschrak ich, es war so
heftig, dass ich mich umdrehte. Ihre Bewegungen waren in ihrer Vollendung die eines Roboters.
Seit ich ihr gesagt habe, dass ich entgegen meinem Aussehen viel, viel älter sei als sie und jetzt bereit bin, es auch zu werden, indem ich mein Alterungsgen aktiviere, seitdem hat sie keinen
Blick mehr für mich.
Ich weiß, für sie und alle anderen ist das eine krankhafte Einstellung. Aber ich will leben, richtig leben. Und dazu gehört das Altern. Wenn mich ihr Anblick erschreckte, dann weil mir plötzlich
bewusst wurde, dass sie gar nicht lebt. Wer das Altern verweigert, lehnt das Leben ab.
Mein Blick beginnt sich zu verändern. Ich sehe, der alte Baum ist schön. Und er ist deswegen schön, weil er trotz morscher Zweige und schuppiger Borke ohne Selbsthass ist. Er liebt sich, wie er
ist. Ich weiß, er wird eines Tages nicht mehr da sein. Und so entzückt mich seine Schönheit und gleichzeitig schmerzt mich seine Vergänglichkeit. Und dieser Schmerz macht ihn mir
unvergesslich.
Wer für immer jung bleibt, unterscheidet sich nicht von den Robotern. Und niemand wird behaupten, dass Roboter leben. Sie existieren, das ist alles. Ich aber will leben. Und hier – ich stehe vor
meiner Waldhütte und sehe mich um – ist die Quelle des Lebens: die Natur. Ja, ich werde altern und eines Tages nicht mehr da sein, aber in der Natur, deren Jugend sich im Altern erneuert, werde
ich für alle Zeit zu Hause sein.