Sie glauben nicht an Wiedergeburt? Nun, dann lesen Sie mal meine Geschichte.
In unserem Garten wimmelt es von Spinnen, daran ist meine Frau schuld. Sobald sie eine im Haus entdeckt, fängt sie die Spinne mit einem Glas und setzt sie im Garten aus.
Als sie wieder einmal eine Spinne nach draußen brachte, konnte ich mir nicht verkneifen, zu sagen, es seien schon genug Spinnen im Garten. Worauf sie meinte, ich solle vor Spinnen mehr Respekt haben, eine davon könnte ja meine Mutter sein.
Meine Frau glaubt wie die Buddhisten an die Wiedergeburt.
„Niemals!“ widersprach ich. „Sie hatte nämlich eine Spinnenphobie!“
Und ich erzählte ihr, wie ich als kleines Kind auf dem Tisch in einer Waschschüssel saß und mich meine Mutter wusch, als sie eine Spinne an der Wand sah. Sie schrie auf und verließ fluchtartig das Zimmer. Mein Vater musste die Spinne mit einem Schuh totschlagen.
„Ja, siehst du! Das hat sie davon! Jetzt ist sie eine Spinne!" rief meine Frau triumphierend. „Das ist die Strafe! Wie kann eine Mutter ihr kleines Kind so im Stich lassen!“
Keine überraschende Antwort. Meine Mutter und meine Frau hatten - ich sag's mal so - ein Verhältnis wie Feuer und Benzin, wobei meine Frau die Benzinrolle spielte. Aber dass meine Mutter noch aus dem Grab zündeln könnte, das beunruhigte mich.
Wir haben einen schönen Garten, bestehend aus Blumen, Büschen und etwa zwanzig großen Kiefern. Nach dem Gespräch wolle ich in der Waldessstille die Ruhe wiederfinden.
Und da sah ich es. Eine Spinne hatte ihr Netz zwischen zwei Bäume gespannt, gut anderthalb Meter über dem Waldboden. Die Spinne saß im Zentrum, auf ihrem Rücken, geformt wie die Tiara eines Bischofs, leuchtete weiß und klar ein Kreuz, dass ich mich wundere, warum die katholische Kirche die Kreuzspinne noch nicht heiliggesprochen hat. Meine Mutter war in ihrem Leben eine gläubige Katholikin. Ist es vorstellbar, dass im Jenseits Buddha und Christus zusammen arbeiten?
Egal, das Netz war so großartig, dass ich es loben musste. Ich versprach der Spinne, das Netz nie zu zerstören und immer einen Umweg um die beiden Kiefern zu machen.
Und dann passierte es doch. Als ich am Nachmittag mit der Schubkarre in erhöhtem Tempo Laub transportierte, spürte ich nichts, aber ich erkannte sofort, was ich angerichtet hatte. Ich war durch das Netz gesaust. Von ihm war nichts mehr zu sehen.
Ich wagte, meiner Frau nichts davon zu erzählen. In einem Buch über Buddhismus suchte ich herauszufinden, ob es nach der Wiedergeburt noch eine zweite gäbe. Ja, gibt es. Das war tröstlich, sorgte aber für ein neues Problem, und meine Frau fragte mich verwundert, warum ich im Zickzack durch den Garten gehe.
„Ich trete doch keine Ameise tot!“ antwortete ich vorwurfsvoll. „Wer weiß, wer darin steckt."
Das fand sie doof, so viele als Ameisen Wiedergeborene könne es gar nicht geben, ich solle mal ein bisschen nachrechnen.
Zwei Tage später. Ein sonniger Tag. Zwischen den beiden nur zu gut bekannten Kiefern spannte sich in der Sonne ein blitzender Faden. Das Spinnennetz hing in etwa 2 m Höhe und war so platziert, dass ich darunter gut durchgehen konnte.
Mir wurde es warm ums Herz. Die Spinne hatte meine Größe und meine Schusseligkeit erkannt. Es musste meine Mutter sein. Offensichtlich hatte sie mir verziehen und sich auf ein längeres Bleiben eingerichtet.
Grüß dich, Mutter. Auf gutes Zusammenleben!