Einmal nagelte ich im Frühling ein Vogelhäuschen an eine Birke. Als ich es angenagelt hatte, tropfte von der Rückseite glasklares Wasser. Ich verstand das nicht: Es hatte in den letzten Tagen
nicht geregnet. Ich dachte, es hört gleich auf. Aber es tropfte weiter, als wäre ich auf eine Wasserquelle gestoßen. Und dann fiel mir ein: Es ist Birkensaft!
Und sofort kam mir der alte Anders in den Sinn, der mir vor langer Zeit in Schweden begegnet war. Er war von kleiner Gestalt, knochig und dürr, aber quicklebendig. Im Frühling kurvte er mit
seinem Fahrrad durch den Wald.. An einigen Birken hatte er Konservenbüchsen angebracht, in denen sich von einem lange Nagel abtropfender Saft sammelte. Nach ein paar Tagen suchte er die Birken
auf, um den Saft zu trinken. Für ihn war es der beste Vitaminsaft, den es gibt.
Anders lebte alleine in einer Hütte, aber er sagte, er fühle sich überhaupt nicht einsam, denn er lebe mit der Natur. Aber sein Ende war nicht gut. Und das Tragische ist: Mein Freund Gunnar
fühlte sich mitschuldig daran. Im Mittsommer hatte Anders ihn um eine Holzleiter gebeten, seine sei kaputt. Gunnar zimmerte ihm eine. Eine Woche später fand man Anders erhängt in einem Baum. Er
war die Leiter hochgeklettert, hatte den Strick an einen Ast gebunden, sich die Schlinge um den Hals gelegt und hatte sich fallen lassen.
Tage später suchte Gunnar die Birken nach den Büchsen von Anders ab. Er fand drei und abends besuchte er mich in meiner Ferienhütte. Wir tranken den Saft schweigend und ich wagte nicht zu sagen,
was ich dabei empfand. In meiner Kindheit war ich Messdiener gewesen und hatte, wenn sich nach einer feierlichen Zeremonie der Messwein zu Christi Blut verwandelt hatte, dem Pfarrer aus einem
Pokal den Wein zum Trinken gereicht. Nur dass es diesmal Birkensaft war und ich dabei an Anders dachte..