Abends ein Anruf, Gunnar geht ans Telefon. Die Halmstader, die ein Ferienhäuschen in der Bucht haben, beschweren sich über unser Nacktbaden. Vor allem der Junge – sie meinen Sven-Gösta – sei
aufdringlich, er käme immer zu ihnen hinüber und sie hätten schließlich ihre Tochter dabei.
Ich höre, wie Gunnar erklärt, Nacktbaden sei das Natürlichste der Welt, er bade immer nackt. Dann legt er auf.
Lisa, seine deutsche Frau, hat das Telefonat mitbekommen, sie herrscht ihn an: „Ab jetzt ziehst du eine Badehose an, ist das klar? Ich will nicht noch mehr Ärger im Dorf haben..“
Wenig später höre ich zum ersten Mal den Befehlston ihres Mannes. Seine Stimme ist piepsig wie beim Stimmbruch.
Er befiehlt Sven-Gösta (und dieser verdreht den Kopf, als lausche er einer Sphärenstimme), erstens, ab sofort beim Baden die Badehose anzulassen und zweitens, sich den Halmstadern nicht mehr zu
nähern. Der Junge erkennt den Ernst und sagt: „Ja, verteufelter Satan.“
Am Nachmittag sehen wir die Halmstader Familie wieder vor ihrem Sommerhaus und sie sehen uns auf dem Bootsteg.
Das Mädchen ist etwa zehn Jahre alt, in einem weißen Trägerkleid, der Mann trägt einen Panama-Hut, die Frau hat ein cremefarbiges Kleid an, das von einem blauen Band um die Taille gehalten wird.
Und alle sitzen feierlich unter einem rotweiß gestreiften Sonnenschirm.
Wir – die Pflegejungen Svn-Gösta und Kore und ich – tragen Badehosen, Gunnar ist noch angezogen. Lisa, in einem blauen Badeanzug, blickt ihn an, er sagt verlegen: „Ich hab die Badehose
vergessen!“
„Alssso..“ Ihre Augen funkeln. „Hältst du mich für blöd? Du badest nicht! Dann bleibst du eben zurück!“
Langsam gleitet sie ins Wasser, schwimmt in kleinen Stößen an den Halmstadern vorbei zu unsrem Badestrand. Die Jungen können nicht schwimmen, darum nehme ich sie im Ruderboot mit. Lasse, den
einjährigen Sohn der Familie, halte ich zwischen meinen Knien.
Da ich mit dem Rücken zum Strand rudere, kann ich sehen, wie Gunnar keineswegs umkehrt, im Gegenteil, er zieht sich aus. Oha, das gibt Ärger. Aber dann seh ich, dass er die Unterhose anlässt.
Gute Lösung. Und so plumpst er ins Wasser.
Lisa hat das Hineinplumpsen gesehen. Ich beruhige sie. „Keine Sorge, er hat die Unterhose an!“
Währenddessen krabbelt Lasse splitternackt auf einer Decke herum und Kore lässt verzückt den Sand von einer Hand in die andere rinnen. Ein paar Meter weiter stapft Sven-Gösta im flachen Wasser
herum und schnauft vor Vergnügen.
Da nähert sich etwas prustend, platschend. Das ist Gunnar. Erst taucht der Kopf auf, dann Schulter und Arme, dann die Brust und schließlich der Bauch, alles muskulös und schön gebräunt. Gleich
muss was Weißes kommen, und es kommt auch, aber es ist nicht das Weiß einer Unterhose und dann steht ein Mann da, von den Füßen bis zur Taille in marmorweißer Pracht, bestrahlt von der Sonne. Für
einen Moment bleibt er so stehen, scheint nachzudenken, dann hebt er den linken Fuß, da baumelt etwas Weißes, er zieht er das Ding ab, schwenkt es in der Luft und lacht strahlend. Es ist
seine Unterhose.
Er dreht sich den Halmstadern zu und beginnt die Unterhose sorgfältig auszuwringen. Dann zieht er sie an, ordentlich bis über den Bauchnabel, steht einen Moment still, und schlunzt, das Wasser
vor sich hinstoßend, zu uns.
Seine Frau hat zugesehen. „Alssso..“ sagt sie. Diesmal nicht vor Zorn. Und ihre Augen weichen nicht mehr von ihm, auch als er schon behaglich neben ihr sitzt, in ihrem Blick ist etwas, das mich
erregt.
Wenig später treib ich auf dem Rücken im flaschengrünen Wasser, dicht am Uferrand, wo sich die Bäume zum See neigen. Ich höre, wie Sven-Gösta nach Gunnar ruft, er soll ihm das Schwimmen beibringen. Aber als der ihn fassen will, brüllt der Junge: "Mörder!". Seine gellende Stimme verkündet Gott und der Welt, dass man ihn ertränken wolle, und so wird nichts aus dem Schwimmunterricht.
Und Kore krümmt sich vor Gelächter, dass sich die Rippen unter sein Haut bewegen wie Klaviertasten.