Warum Krieg?
„Schmeckt er nicht?“
„Doch, Oma, ich habe einfach keinen Hunger.“ Die junge Frau stochert in einem Stück Schokoladentorte herum.
„Hast du Liebeskummer?“ Besorgt mustert die alte Dame ihre Enkelin.
Die junge Frau quetscht ein lang gezogenes „Nein“ durch die Lippen.
„Was ist los? Oder willst du nicht mit mir darüber reden?“
„Eigentlich nicht, du hast Florian von Anfang an nicht gemocht.“
„So kann man das nicht sagen. Er sieht gut aus und kann sehr charmant sein. Natürlich bin ich nicht begeistert, dass du dich ausgerechnet in einen
Bundeswehrsoldaten verliebt hast.“
„Er ist Sportsoldat. Florian ist Leistungssportler. Was ist so schlimm daran, dass die Bundeswehr ihn gefördert hat? Seine Eltern hätten das nicht
gekonnt.“
Die Großmutter schweigt, aber diese Erklärung stellt sie nicht zufrieden. Meike spürt es und sagt: „Nun gut. Du erfährst es ja doch. Florian hat sich
freiwillig für einen Auslandseinsatz gemeldet.“
„Das gibt gutes Geld.“
„Oma, du bist gemein.“
Sie beginnt zu weinen. Die Großmutter steht auf und legt eine Hand auf ihre Schulter.
„Tut mir leid, ich wollte ihm nichts unterstellen.“
„Er will seine Kameraden nicht im Stich lassen“, schluchzt die Enkelin. „Ich habe Angst, dass ihm was passiert.“
„Die Militärstützpunkte sind stark gesichert und die Bundeswehrfahrzeuge gut gepanzert. Nur wenige Soldaten haben
Feindkontakt“, versucht die Großmutter zu trösten. Und, indem sie sich setzt, fügt sie leise, mehr für sich hinzu: „Sie schreiben Berichte, putzen Waffen, spielen Karten und langweilen
sich.“
„Florian meint auch, ein Auslandseinsatz sei weniger gefährlich als deutsche Autobahnen.“
Meike trocknet sich die Tränen und beginnt zu essen.
„Jedenfalls kamen in den bisherigen Kriegseinsätzen kaum Bundeswehrsoldaten ums Leben. Dafür umso mehr Zivilisten.“
„Es sind keine Kriegseinsätze, sondern Stabilisierungseinsätze. Sie dienen der Bekämpfung von Aufständischen, unterstützen Demokratiebewegungen und schützen die
Bevölkerung vor Islamisten.“
„Wie in Afghanistan?“
„Die Bundeswehr ist nach Afghanistan gegangen, um Aufbauarbeit zu leisten“, beharrt Meike. „Dass die Taliban daraus einen Krieg gemacht haben, ist nicht ihre
Schuld.“
„Entschuldige, Liebes, da bin ich ganz anderer Meinung. Ein Militäreinsatz ist kein Entwicklungshilfeprojekt. Mit Bezeichnungen wie Friedensmission und
Durchsetzung der Menschenrechte sollte die Bevölkerung positiv auf den Afghanistaneinsatz eingestimmt werden. Solche Begriffe erzeugen in uns ein Bild von Versöhnung und Helfen. Dass die
Bundeswehr nur Brunnen und Brücken baut, war von Anfang nichts anderes als eine geschickte Propaganda-kampagne.“
„Die längst korrigiert wurde.“
„Der erste Eindruck ist der entscheidende. Haben sich bestimmte Vorstellungen erst einmal in unseren Köpfen festgesetzt, lassen sie sich nur schwer korrigieren.
Längst sehen wir aus Kabul keine Bilder tanzender Jugendlicher und unverschleierter Schülerinnen mehr, son dern Aufnahmen von Häuserruinen und Soldaten in Kampfanzügen. Doch wenn von der
Bundeswehrmission in Afghanistan die Rede ist, denken die Meisten immer noch an Aufbau und nicht an Zerstörung.“
„Manchmal muss man erst zerstören, bevor man aufbauen kann.“
„Den gordischen Knoten zerschlagen wie Alexander der Große?“
„Was hat Alexander der Große mit der Bundeswehr zu tun?“
Die Großmutter hebt die Schultern, denkt einen Moment nach und sagt dann: „Eigentlich eine ganze Menge. Beiden fehlt die Geduld und die Fähigkeit, den Knoten
aufzulösen.“
„Was ist daran schlecht?“
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